Der Klimawandel erhöht den Druck auf die Wasserverfügbarkeit
Die heißen und durch lange Trockenperioden gekennzeichneten Sommer der vergangenen Jahre haben die Themen Wasserverfügbarkeit und mögliche Knappheitssituationen im eigentlich wasserreichen Deutschland in die Schlagzeilen gebracht. Viele Artikel und Dokumentationen widmeten sich den Herausforderungen, vor denen Wasserversorger durch den Klimawandel stehen. Die ARD landete mit dem Themenschwerpunkt #unserWasser in 2022 einen Volltreffer – zahlreiche Berichte, Dokumentationen und Beiträge in den Hauptsendungen stießen auf große Resonanz in der Bevölkerung.
Klimawandelprognosen lassen erwarten, dass heiße und trockene Sommermonate zukünftig regelmäßig auftreten und das Wasserdargebot unter Druck gerät. Dass der Juli 2023 im Vergleich zu den Juli-Monaten der Vorjahre außergewöhnlich regenreich war, sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Tendenz zu heißeren Sommern eindeutig ist. Immerhin lag nach Auswertungen des Deutschen Wetterdienstes das Temperaturmittel im Juli 2023 trotz der vielen Niederschläge mit 18,7 Grad Celsius um 1,8 Grad über dem Juli-Wert der Jahre 1961 bis 1990, die international als Referenzperiode herangezogen werden. [1] Ein weiterer Weckruf für mehr Klimaschutz und die Auseinandersetzung mit Wasserverfügbarkeiten in der Bundesrepublik.
Verbote sind die Ultima Ratio – und gehören leider schon zur Wirklichkeit in Deutschland
Die Bevölkerung muss sich also darauf einstellen, dass das Thema der Wasserverfügbarkeit nicht mehr von der Bildfläche verschwindet. Und es ist nicht auszuschließen, dass es zukünftig erneut zu lokalen Wassernotständen kommen kann, die mit Verboten einhergehen. So verhängte zum Beispiel die rheinland-pfälzische Verbandsgemeinde Simmern-Rheinböllen im Juli 2022 Verbote zur Befüllung von Pools, Bewässerung von Rasen oder Blumenbeeten und Säuberung von Autos oder Terrassen, um nach eigenen Angaben die Trinkwasserversorgung aufrechtzuerhalten. [2] Glücklicherweise sind solche drastischen Maßnahmen selten und falls sie doch umgesetzt werden, in der Regel nur von relativ kurzer Dauer. Sie unterstreichen allerdings die Notwendigkeit für viele Wasserversorger, sich dem Thema zu widmen und Lösungen anzustoßen.
Wer trägt die Verantwortung für die Wasserressourcen?
In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu betonen, dass Wasserversorger keine originäre Verantwortung für die Bewirtschaftung der von ihnen „angezapften“ Wasserressourcen haben – diese liegt in der Verantwortung der Behörden. Grundlage hierfür ist die Europäische Wasserrahmenrichtlinie aus dem Jahr 2000, die in Artikel 4 sowohl einen guten chemischen Zustand als auch einen guten quantitativen Zustand für Grundwasser fordert. Wasserversorger sollten gleichwohl ihre Verantwortung wahrnehmen, die im Hinblick auf die Zuteilung des von ihnen geförderten und aufbereiteten Wassers im Lichte des § 50 Wasserhaushaltsgesetzes (Förderung eines sorgsamen Umgangs mit Wasser) besteht. An dieser Stelle gewinnen anreizorientierte Preismodelle fundamental an Bedeutung, denn Preise üben eine Signalfunktion gegenüber den Kunden aus und können somit unter bestimmten Voraussetzungen eine Lenkungsfunktion übernehmen. Sie bieten für alle am Wasserkreislauf beteiligte Akteure – von den Versorgern über die Nachfrager bis hin zu Aufsichtsbehörden – ein großes Potenzial.
Preismodellkomponenten sensibilisieren und geben Anreize
Falls sich bei einem Wasserversorger signifikante Dargebotsprobleme einstellen, können diese ohne Zweifel zumeist nicht vollumfänglich über die Ausgestaltung des Preismodells gelöst werden. Preismodelle können aber einen Beitrag dazu leisten, das vorhandene Wasser effizienter zuzuteilen und im Ergebnis mehr Kunden zu beliefern. Entsprechende Komponenten eines Preismodells können große Nachfrager (Industriekunden, Landwirtschaft etc.) und Weiterverteiler (andere Wasserversorger mit Endkundenkontakt, die ihrerseits als Vorlieferanten auftreten) einerseits für die Dargebotsproblematik sensibilisieren und ihnen andererseits Anreize geben, die eigene Nachfrage genauer zu prognostizieren und sich bei der Angabe von Bedarfen verbindlich festzulegen.
„Die Zeit ist reif, das Potential von Preismodellen stärker zu nutzen.“ (Quelle: Beitragsfoto von Hans auf Pixabay)
Wie sieht die derzeitige Praxis zumeist aus? Zwar treffen große Nachfrager oder Weiterverteiler i. d. R. Vereinbarungen mit dem Wasserversorger über Mindest- und Höchstmengen, vielfach bezahlen sie jedoch nur einen (sehr) geringen Grundpreis und stattdessen einen hohen Mengenpreis, der nur bei tatsächlicher Abnahme anfällt. Dies führt dazu, dass sich diese Kunden häufig weder an die Mindest- noch an die Höchstmengen gebunden fühlen. Alternativ ließe sich eine zusätzliche Preismodellkomponente einführen, die sich an einer sog. Vorhaltemenge bemisst. Diese wäre wiederum von den Kunden verbindlich zu buchen und zu bezahlen – unabhängig von der tatsächlich abgenommenen Menge. Dabei handelt es sich keineswegs um eine „flatrate“, denn für die abgenommene Menge fällt weiterhin ein Mengenpreis an. Die Auseinandersetzung der Kunden mit ihrem individuell erforderlichen Bedarf und die Buchung der entsprechenden Vorhaltemenge erhöht die Planungssicherheit für den Wasserversorger.
Zugleich wird das knappe Wasserdargebot effizienter zugeteilt, weil Kunden nur die tatsächlich erwartete Vorhaltemenge reservieren und frei gewordene Mengen (im Vergleich zur vormals eher unverbindlichen Angabe der Höchstmenge) von anderen Nachfragern gebucht werden können. Ein preislicher Anreiz löst damit zwar nicht grundsätzlich das Wasserdargebotsproblem, kann durch Schaffung von Transparenz sowie verbindlicher Buchung einer Vorhaltemenge gleichwohl die Planungssicherheit erhöhen und damit die Zuteilung des knappen Gutes Wasser verbessern. Hinzu kommt, dass eine begleitende dialogbasierte Kommunikation für mehr Transparenz auf beiden Seiten sorgt und damit Unwägbarkeiten mildern kann. Preismodellkomponenten zur Bepreisung von Vorhaltemengen wurden bereits für verschiedene Kunden entwickelt und haben sich zwischenzeitlich in der Praxis bewährt. [3]
Preismodelle können mehr als nur Erlöse zu generieren
Das Beispiel zeigt, dass Preismodelle weit mehr können, als lediglich Erlöse zu generieren. Gleichwohl determiniert bei jeglichen Überlegungen zur Einführung neuer Preismodellkomponenten die individuelle Ausgangssituation eines Wasserversorgers, wie unterschiedliche Ansätze zur bestmöglichen Erreichung der verschiedenen Ziele miteinander kombiniert werden können – ganz in der Analogie eines „Köchers mit unterschiedlichen Pfeilen“. Dabei sind nicht alle Pfeile bereits „fertig geschnitzt“. In Abhängigkeit der sehr konkreten Herausforderungen eines Wasserversorgers sollte der Mut bestehen, auch in komplett neue Richtungen zu denken. Die Zeit ist reif, auf neue Herausforderungen mit einem Maßnahmenkanon zu reagieren – Preismodelle gehören explizit dazu.
Quellen
[1] Tagesschau: „Juli 2023 war zu warm und ziemlich nass“ (https://www.tagesschau.de/wissen/klima/wetterdienst-juli-100.html)
[2] SWR Aktuell: „Rasen wässern verboten: Im Hunsrück muss Trinkwasser gespart werden“ (https://www.swr.de/swraktuell/rheinland-pfalz/koblenz/vg-simmern-rheinboellen-wassersparen-100.html)
[3] Donner, Christoph / Oelmann, Mark / Czichy, Christoph und Siegfried Gendries (2020): „Nutzung der Lenkungsfunktion neuer Preismodelle in der Fernwasserversorgung“, Energie Wasser Praxis, Jg. 71, Nr. 8, S. 42–49.
Beitragsfoto (Hydrant) von Hans auf Pixabay