Brauchen wir höhere Wasserentnahmeentgelte, um das Wassersparen zu fördern?
Während sich der Bauernverband in Mecklenburg-Vorpommern gegen die Einführung eines Wasserentnahmeentgelts für Landwirte wehrt, verstärkt sich der Gedanke, dass der sog. „Wasserpfennig“ viel breiter zur Effizienz- und Verhaltenssteuerung bei Wassernutzung eingesetzt werden könnte. Warum Sparanreize über Wasserpreise, Wasserentnahmeentgelte wären vorteilhafter.
In einem Blog-Beitrag vom 2.1.2019 (1) schrieb ich über die Diskussion im Nordenosten Deutschlands, ausgelöst vom Umweltminister des Landes. Das Thema hat mir keine Ruhe gelassen. Der nachfolgende Faktencheck über die Abgabe Wasserentnahmeentgelt führte nicht nur interessanten Details, sondern auch zu einer Schlussfolgerungen, die auch in anderen Bundesländern zum Nachdenken anregen soll.
Trinkwasserkunden müssen Wasserentnahmeentgelte zahlen
93 Mio. Euro, soviel Wasserentnahmeentgelt (WEE) zahlen alle Wasserversorger in Mecklenburg-Vorpommern (M‑V) für die Wasserentnahme aus Brunnen und Flüssen, um daraus Trinkwasser zu gewinnen (Stand Menge 2013 / WEE 2016 (5)). Diese Zahlungen an die Landeskasse werden über die Trinkwasserrechnung nebst Konzessionsabgaben und Umsatzsteuer an die Wasserkunden weitergeleitet. Einem Vierpersonen-Haushalt verteuert dies das Wasser um max. 1 Euro im Monat (je nach Herkunft des Wassers – siehe Erläuterung). Anders als beim Trinkwasser zahlen Landwirte bisher nicht für die direkte Entnahme aus Brunnen, Flüssen oder Bächen. Das soll sich ändern, wie M‑V Umweltminister Till Backhaus am 17.12.2018 erklärte. Darüber beklagte sich der Bauernpräsident.
Gesamte Landwirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern müsste weniger als eine Million Euro zahlen
Was hätten zukünftig die Landwirte in M‑V zu bezahlen? Leider gibt es keine wirklich aktuelle Statistik über die Wassereinsatz in der Landwirtschaft im Nordosten des Landes. Die aktuellsten Zahlen stammen vom Statistischen Landesamt aus 2002 (4). Weil der Sommer 2002 verregnet war, sollte besser aus Daten von 1998 zurückgegriffen. Auch die bieten die Statistiker. Vier Jahre zuvor entnahmen die Bauern in M‑V rund 7.093.000 Kubikmeter Wasser aus natürlichen Quellen. Diese Menge setzen die dortigen 105 erfaßten landwirtschaftlichen Betriebe für die Bewässerung ihrer Anbauflächen ein (2002 war es 30 Prozent weniger Wasser). Legt man nun bei diesen Mengen die WEE-Tarife von 10 Cent je Kubikmeter zugrunde, dann hätten die Landwirte im Jahr 1998 insgesamt 710.000 Euro zahlen müssen. Bei einem heißen Sommer und höherem Bewässerungsbedarf – wie schon 1998 -, läge die Gesamtbelastung aller Landwirte bei rund einer Million Euro. Diese Belastungen lassen sich durch technische Optimierungen beim Wassereinsatz, wodurch WEE reduziert werden, und dank Fördermittel des Landes für wassereffiziente Investitionen deutlich reduzieren. So sollen WEE wirken.
Verursacher sollten auch zur Kasse gebeten werden
Man könnte bei der Zahlungspflicht für Landwirte auch zu der Schlussfolgerung gelangen, dass dies dem Verursacherprinzip Rechnung trägt. Man muss nämlich wissen, dass die in M‑V vom Land eingenommenen WEE zweckgebunden verwendet werden müssen. Nach dem Landeswassergesetz M‑V darf das WEE nur zur Verbesserung der Gewässergüte und zur Unterhaltung der Gewässer verwendet werden (2) (3). Es darf nicht für andere Zwecke genutzt werden! (In NRW ist das beispielsweise erlaubt). M‑V finanziert aus den WEE-Einnahmen daher u.a. Vorhaben und Tätigkeiten, um den Gewässerschutz zu verbessern und Gewässerentwicklungsvorhaben in die Praxis umzusetzen“ (siehe auch § 18 LWasserG M‑V). Da das Eindringen von Gülle und Pflanzenschutzmittel in die Gewässer der eigentliche Grund für den Sanierungsbedarf der Gewässer darstellt, zumal Deutschland deshalb gegen die Ziele der EU-Wasserrahmenrichtlinie verstößt (9), scheint es nur folgerichtig, wenn die Landwirte somit als Verursacher auch zur Kasse gebeten werden.
Warum gibt es überhaupt Ausnahmen für die Landwirtschaft ?
Damit dürfte sich nicht nur das Mitleid mit den Landwirten in M‑V in Grenzen halten, man könnte sogar weiter gehen und die Frage stellen, warum es überhaupt Ausnahmen für Landwirte bei den WEE in Deutschland gibt. Denn ausser in M‑V befreien auch die Landes-Wassergesetze in NRW, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz die Landwirte von der Zahlungspflicht beim WEE (6). Gerade wenn man die Diskussion um die Verunreinigung öffentlicher Gewässer durch die Landwirtschaft daran spiegelt, könnte man zu der Schlussfolgerung gelangen, dass Wasserentnahmeentgelte grundsätzlich sinnfällige und zielführende Beiträge der Landwirtschaft sein könnten, um diese Verursachergruppe grundsätzlich an der Wiederherstellung einer intakten aquatischen Umwelt zu beteiligen. Mindestens aber ist es ein wirksames, sogar rechtlich belegtes Anreizinstrument für ein wassereffizientes Verhalten. Letzteres erklären auch Gawel/Bretschneider in ihrem Gutachten für das WEE in Baden-Württemberg, das zum 1.1.2019 erhöht worden ist.
Das Wasserentnahmeentgelt ist als ökonomischer Hebel zu vorsorgendem Schutz der natürlichen Wasserressourcen vor mengenmäßiger Belastung („Wasser-Stress“) zugleich ein Beitrag zur vorsorgenden Anpassung an künftige Klimaveränderungen. Seine Lenkungswirkungen ergeben sich sowohl aus Maßnahmen der Abgabepflichtigen zur Vermeidung der Abgabe (Substitutionseffekte) als auch aus langfristig wirksamen Anpassungen an die zu tragende Zahllast entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Das WEE ist ein Instrument zur Initiierung eines langfristigen Strukturwandels wasserbasierter Konsum- und Produktionsprozesse unter Berücksichtigung der Inanspruchnahme knapper Umweltressourcen.
Gawel/Bretschneider (5)
Plädoyer für Wasserentnahmeentgelte als Anreiz- und Finanzierungssysteme
Im Hinblick auf die Wasserentnahmeentgelte in Deutschland stellt sich somit aus meiner Sicht die Frage, ob ihre Rolle als Anreizsystem für eine effiziente Wasserverwendung nicht sogar deutlich ausgeweitet werden sollte. In manchen Bundesländern fängt man dann allerdings beim Nullpunkt an: In Bayern, Hessen und Thüringen sind Wasserentnahmeentgelte nicht einmal vorhanden. In Bayern mag der Gesetzgeber über Fördermittel vielleicht sogar die falschen Anreize geben, jedenfalls lassen die Wasserpreise und ‑gebühren mancher Kommunen und Versorger darauf schliessen.
Wasserentnahmeentgelte der Landespolitik statt Anreize in Wasserpreisen der Wasserversorger
Meines Erachtens eignet sich das durch den jeweiligen Landesgesetzgeber festgesetzte und landespolitisch getragene Steuerungsinstrument der Wasserentnahmeentgelte jedenfalls eher für die Verhaltenssteuerung beim Wassereinsatz – und zwar nicht nur bei Landwirten -, als die durch den lokalen Wasserversorger festgesetzten Wasserpreise. Wenn also die Landespolitik die allseits gewünschten Anreize für Wassersparverhalten geben will, dann sollte sie die Wasserentnahmeentgelte erhöhen oder zunächst einführen. Damit wäre eine einheitliche Regelung in einem Bundesland möglich, die Verzerrungen verhindert, und – wichtiger noch – die Wasserversorger müssten nicht mit ihren Wasserentgelten die politisch gewollten Wassersparanreize geben. Immer wieder höre ich bei Preisumstellungen das Argument, dass sich bei einem geringeren Mengenpreise in Folge einer umsatzneutralen Umstellung das Wassersparen nicht mehr lohnen wird. Losgelöst von der Frage, ob der Preis beim Haushaltskunden überhaupt wirkt, ist die Forderung schon im Grundsatz fragwürdig. Die Wasserversorger müssen betriebswirtschaftlichen Grundsätzen folgen dürfen. Wenn die Unternehmen aus ressourcenpolitischen Gründen an einer Preisstruktur mit zu hohen Mengenpreisen festhalten müssen, geraten sie selbst wegen der fixlastigen Kostenstruktur in eine Kostendeckungslücke, und das nicht nur, wenn die Kunden Wasser sparen (10). Die Folgen wären wiederum steigende Wasserpreise – losgelöst von der Frage ob politisch gebilligt oder kartellrechtlich unwidersprochen. Genau das ließe sich vermeiden, würde das Anreizsystem auf die Wasserentnahmeentgelte verlagert werden – überall in Deutschland und nicht nur für die Landwirtschaft. Somit wären die Wasserversorger nicht mehr der verlängerte Arm der Ressourcenpolitik; wie schon auch in der Sozialpolitik. Das schafft zudem mehr Transparenz. Denn wenn diese im Wasserpreis eingerechnete Abgabe sichtbar kommuniziert wird – was heute viel zu selten der Fall ist – könnten die Kunden erkennen und nachvollziehen wofür sie den Entgeltbestandteil zahlen. Sie würde auch sehen, welche Einflüsse den Wasserpreis bestimmen, wenn darüber landesweit offen kommuniziert und die „Wasserspar-Abgabe“ als solche eindeutig hervorgehoben wird. Das wäre dann ein multifunktionaler Ressourcenschutz – bei der Qualität und der Menge.
Eigentlich erscheint mir dieser Ansatz bei den Wasserentnahmeentgelten ein spannender Gedanke, der sicher nicht Freunde haben wird. Für mich als Nicht-Jurist steht das Wasserhaushaltsgesetz diesem Ansatz zumindest nicht auf den ersten Blick entgegen. Bei der Frage der Zweckbindung dürfte es angesichts des massiven Finanzbedarfs für die Gewässerschutzmaßnahmen auch kaum an Verwendungsformen fehlen. Natürlich müssten dann dem Verursacherprinzip folgend möglichst alle Nutzergruppen zur Kasse gebeten werden. Mal schauen, ich werde hierzu Experten und Politiker befragen. Dann geht es weiter.
Erläuterung zum WEE M‑V (s.o.)
Bei den WEE wird in M‑V nach der Herkunft des Wassers unterschieden. Für Oberflächenwasser sind 5 Cent je 1.000 Liter, für Grundwasser 10 Cent zu zahlen. Vor 2016 waren es nur 2 bzw. 5 Cent (2).
Quellen / Weiterführendes
- „Hitzewelle und Dürre: Big Data hilft bei Bewässerung in der Landwirtschaft“, Lebensraumwasser, 28.7.2018
- Wasserentnahme-Entgelt M‑V Broschüre, Umweltministerium 2015
- Landeswassergesetz M‑V
- Wasserentnahme-Statistik Landwirtschaft, Statistisches Landesamt M‑V (1998/2002)
- Wasserentnahme-Statistik Öffentliche Wasserversorgung, Statistisches Landesamt M‑V (2013)
- Das Wasserentnahmeentgelt in Baden-Württemberg – Bestandsaufnahme und Evaluierung – Endbericht, Gawel/Bretschneider, 2016
- Bewässerung in der Landwirtschaft – Tagungsband zur Fachtagung am 11./12.09.2017 in Suderburg
- „Landwirte sollen für Wasserentnahme zahlen“, Lebensraumwasser, 2.1.2019
- Gewässer in Europa noch lange nicht im guten Zustand, Umweltbundesamt
- „Neue Wasserpreissysteme schützen gegen die Folgen des Wassersparens“ Lebensraumwasser, 3.9.2015
Erstmals veröffentlicht am 15.01.2019 auf lebensraumwasser.com