Viel wird aktuell über Anreize zum Wassersparen diskutiert. „Das Sparen muss sich lohnen“, lautet der Tenor und „Wer viel verbraucht, soll viel bezahlen“ der Umkehrschluss. Der Hebel, der das bewirken kann, ist der verbrauchsabhängige Kubikmeterpreis (oder Gebühr) bei den Entgeltsystemen. Da passt es so gar nicht, dass es in Deutschland 67 Wasserversorger gibt, die eine Flatrate für Wasser haben – also nur einen Grundpreis oder eine Grundgebühr erheben. Damit muss der Kunde unabhängig von der Abnahmemenge nur einen festen Preis für sein Trinkwasser zahlen.
Flatrate für Wasser nicht sinnvoll
Aufgefallen sind die Flatrates beim Blick in die aktuellste Erhebung des Statischen Bundesamtes. Die Erhebung „Entgelt für die Trinkwasserversorgung in Tarifgebieten nach Tariftypen 2017 bis 2019“ zeigt, dass von den 67 Versorgern, 32 in Schleswig-Holstein, 15 in Bayern und 12 in NRW sitzen. Die Zahl hat aber insgesamt deutlich abgenommen. Im Jahr 2016 waren es noch 99 Versorger, die auf die Erhebung eines Mengenentgelts verzichteten. In Bayern dagegen haben sich zwei Versorger für den Umstieg auf die Flatrate entschieden, so dass dort die Zahl sogar gestiegen ist.
Ungeachtet der Tatsache, dass die Wasserversorgung von hohen Fixkosten geprägt ist, liegen diese mit 80 Prozent immer noch deutlich unter den 100 Prozent, die eine Flatrate kostenseitig rechtfertigen ließe. Damit werden eigentlich die falschen Signale gesetzt. Aber es gibt noch andere Gründe, die dagegen sprechen. Was sagen Experten zu diesen Flatrates in der Wasserwirtschaft, die aufgrund der Größe der Versorger in der öffentlichen Wahrnehmung nur ein Schattendasein fristen? Wir haben ausgewiesene Wasserpreisexperten zum Thema Wasser-Flatrate befragt: Professor Dr. Mark Oelmann als Mitautor beim Wasserpreisportal und Dr. Joerg Rehberg, er ist beim BDEW Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft der Rechtsexperte für Wasserthemen.
Fragen an den Wasserjuristen Dr. Jörg Rehberg (BDEW)
„Was spricht aus wasserrechtlicher Sicht gegen eine Flatrate bei Trinkwasserentgelten?“, habe ich Dr. Rehberg gefragt.
Dr. Rehbergs Antwort: „Die Wasserrahmenrichtlinie steht mit ihrem Verschlechterungsverbot vor jeder möglichen Übernutzung von Wasserressourcen, die bei Flatrates zunächst nicht ausgeschlossen wäre. Konkreter ist § 50 WHG (Wasserhaushaltsgestz), der die Träger der öffentlichen Wasserversorgung verpflichtet, auf einen „sorgsamen Umgang mit Wasser“ hinzuwirken. Vor allem spricht aber eine durchgängige Rechtsprechung gegen Flatrates in der Wasserwirtschaft. Die Gerichte schreiben vor, dass die Kunden durch ihr Gebrauchsverhalten auf die Höhe der Gebühr und damit in der Regel auch des Preises Einfluss nehmen können müssen. Dies ist bei einer Flatrate nicht möglich. Somit wären Gebührensatzungen mit einer alleinigen Grundgebühr ohne zusätzlichen Verbrauchsgebühr grundsätzlich unzulässig.“
Warum können Flatrates in Kleinstversorgungsgebieten in Schleswig-Holstein oder Bayern kein Vorbild für andere Regionen sein.
Seine Antwort: „Aus der beschriebenen rechtlichen Problematik ergibt sich bereits, dass Flatrates nicht flächendeckend zur Anwendung kommen können. Sie sind aber auch wasserwirtschaftlich bedenklich, weil sie zu wenig kontrollierbaren Situationen und spontanen Vielgebräuchen führen können. Damit könnten Versorgungs- und Entsorgungssysteme an ihre Grenzen stoßen. Es könnte zu Versorgungsengpässen kommen oder zumindest ein Abfall des Wasserdrucks bewirken. Große Abnahmeschwankungen sind für die Infrastruktur beispielsweise wegen Druckschlägen und Kapazitätenplanung grundsätzlich schwierig.“
Fragen an den Wasserökonom Professor Dr Mark Oelmann (Hochschule Ruhr-West/MOcons)
Aus rechtlicher Sicht, so darf man feststellen, steht den Flatrates bei Trinkwasser der gesetzgeberische Wille, der Wasserverschwendung Einhalt zu gebieten grundsätzlich entgegen. Ich habe Professor Dr. Mark Oelmann gefragt. Was sagt die Ökonomie zur Flatrate?
Prof. Oelmann: „Die Ökonomie ist hinsichtlich der Frage, wie hoch der Anteil der fixen an den gesamten Erlösen sein sollte, eindeutig: Die fixen Kosten sollten durch fixe Erlösbestandteile gedeckt werden. Der Grund: Der Wasserversorger gibt dem Kunden so ein Preissignal, bis zu welchem Punkt auch aus Sicht des Gesamtsystems Investitionen in Wassereffizienzmaßnahmen sinnvoll sind. Es lässt sich folglich festhalten, dass ein solch „normaler“ Wasserversorger durch die fixe Erlöskomponente aus ökonomischem Blickwinkel jenen fixen Kostenblock in Höhe von 80 % der Gesamtkosten einnehmen sollte. Einzige Ausnahme wären Wasserdargebotsprobleme. In diesem Fall sollten Wasserkunden über höhere variable Wasserpreisanteile zu stärkerem Wassersparen angeregt werden.
Frage: Ob ein Wasserverbraucher sich von Wasserpreisen überhaupt beeinflussen lässt, ist hierbei nicht unbedeutend. Deshalb die Frage „Ist der Wasserkunde ein homo oeconomicus, handelt er überhaupt nach Wasserpreisen?
Prof. Oelmann: „Fangen wir andersherum an: Wessen Verhalten lässt sich nicht beeinflussen? Unseren Untersuchungen zu Folge reagiert ein Haushalt in einem 10-Familien-Wohngebäude, dessen Wasser- und Abwasserrechnung über die m²-Größe der Wohnung umgelegt wird mit seinem individuellen Wassersparen gar nicht auf steigende variable Preise oder Gebühren. Anders sieht dies bei etwa neuen Einfamilienhäusern aus. Versuchen Sie heute etwa derart wasserineffiziente Gebäude zu bekommen, wie diese vor 30 Jahren wie üblich gebaut wurden…. Auch bei den gewerblichen und industriellen Kunden sehen wir aus den Zeitreihen, wie konjunkturbereinigt die Kunden ihre Bleistifte spitzen und in wassereffizientere Technologien investieren, wenn die variablen Wasserpreise steigen. Dies würde ich auch machen, würde ich mit zum Teil rein variablen Mengentarifen über extrem verquere Anreize zum Wassersparen getrieben. Es ist nicht die Schuld des Wasserkunden, dass er sich auf Kosten aller anderen optimiert und sich die konstant bleibenden Fixkosten nun auf weniger Menge verteilen und folglich die m²-Preise steigen (müssen). Der 1‑, 2- Familienhausbewohner sowie gewerbliche und industrielle Kunde reagieren ökonomisch rational auf die Anreize zum Wassersparen, die wir als Wasserver- und implizit insbesondere Abwasserentsorger ihm über nicht durchdachte Wasser- und Abwassertarifmodelle setzen. Auch kreieren wir ein soziales Problem – die absolute Wassernachfrage der Mehrfamilienhausbewohner bleibt konstant, die der kleinen Wohngebäude sowie von Gewerbe/Industrie sinken. Im Ergebnis steigt der relative Anteil der Menge der Mehrfamilienhausbewohner. Dies impliziert, dass diese fortan auch relativ höhere Anteile der Fixkosten zu tragen. Im Kern aber wie betont ein „hausgemachtes Problem“. “
Letztlich auch die Frage: Wäre die Flatrate auf deutsche Wasserwirtschaft übertragbar oder kann das allenfalls in Kleinstgemeinden mit Kleinstverbrauchern ökonomisch sinnvoll sein?
Oelmann warnt in seiner Antwort. „Sie wäre nur für sehr besondere Regionen übertragbar. Die variablen Kostenanteile müssten – etwa weil keinerlei Aufbereitungs- und Energiekosten anfallen – nahe Null sein. Gleichzeitig darf Wasser in der spezifischen Region in keiner Weise knapp sein. Summa summarum mag es solche Regionen in Deutschland durchaus geben, auch wenn aus diesen vereinzelten Fällen sicher nicht geschlossen werden kann, dass die Flatfee nun für Wasser und Abwasser die allgemeine Wahl darstellen sollte.“
Ausblick
Ob das Thema Wasser-Flatrate damit „ad acta“ gelegt werden darf, wird sich zeigen. Der eine oder andere Wasserversorger liebäugelt schon seit längerem mit diesem Grad der Kostendeckung. Aber offensichtlich überwiegen die Bedenken, so dass diese Entgeltform bei Wasser auf dem Rückzug ist.
Hier geht es zur Übersicht des Statischen Bundesamtes
Erstmals veröffentlicht am 18.12.2017 auf lebensraumwasser.com