Warum Wasserversorger ihre Preissysteme umstellen oder Grundpreise erhöhen

Immer mehr Was­ser­ver­sor­ger heben ihre Grund­prei­se an oder stel­len ihre Preis­sys­te­me um. Das tun sie, damit Was­ser­prei­se und Inves­ti­tio­nen sta­bil gehal­ten wer­den kön­nen. Aus­lö­ser gibt es vie­le, die wich­tigs­ten sind Kli­ma­wan­del und demo­gra­phi­scher Wan­del, also weni­ger Men­schen oder aber mehr, dafür klei­ne­re Haus­hal­te. Die Grün­de für den Ände­rungs­be­darf lie­gen in dem struk­tu­rel­len Miss­ver­hält­nis zwi­schen den Kos­ten auf Sei­ten des Unter­neh­mens und den Was­ser­prei­sen. Ver­sor­ger, die jetzt nicht pro­ak­tiv nach Lösun­gen suchen, wer­den sich irgend­wann dem öko­no­mi­schen Druck beu­gen müs­sen. Die­ser Bei­trag erklärt die Zusam­men­hän­ge und wie sich die Was­ser­wirt­schaft ver­än­dert.

Die Preis- und Kostenstruktur müssen angenähert werden

Die Fra­ge nach den „war­um“ erklärt der Blick in die Preis- und Kos­ten­struk­tu­ren deut­scher Was­ser­ver­sor­ger. Für die Ver­sor­gungs­an­la­gen ent­ste­hen Kos­ten, die lang­fris­tig unver­än­der­bar d.h fix sind. Das sind durch­schnitt­lich etwa 80 Pro­zent der Kos­ten. Damit das Unter­neh­men nicht in Schief­la­ge gerät oder die Inves­ti­ti­ons­kraft ein­büßt, wenn die Abnah­me­men­gen schwan­ken, müss­ten die­sen fixen Kos­ten eben­so fixe Ein­nah­men in etwa glei­cher Grö­ßen­ord­nung gegen­über ste­hen. In der Rea­li­tät haben die meis­ten Ver­sor­ger hohe Men­gen­preis­an­tei­le. Ver­än­dert sich die Nach­fra­ge, gehen die Erlö­se zurück und die Kos­ten­de­ckung ist in Gefahr. Das kön­nen auch Was­ser­kun­den nicht wol­len. Die loka­le Poli­tik wäre eben­falls auf­ge­for­dert, den Was­ser­ver­sor­ger zur Prü­fung der Was­ser­preis­struk­tu­ren anzu­hal­ten.

Vor dem Ver­än­de­rungs­druck ist kaum ein Ver­sor­ger sicher. Selbst in Wachs­tums­städ­ten, wo die Ein­woh­ner­zahl zunimmt und der Gesamt­ver­brauch steigt, sinkt die Nach­fra­ge in den zumeist klei­ner wer­den­den Haus­hal­ten. Um Sicher­heit zu wah­ren, stel­len Ver­sor­ger ihre Was­ser­prei­se auf höhe­re Grund­prei­se um und – das ist wich­tig – sen­ken im Gegen­zug die men­gen­ab­hän­gi­gen Ent­gel­te. Was­ser­preis­um­stel­lun­gen, wie ich sie ken­ne, sind immer umsatz­neu­tral. Ver­sor­ger kön­nen auch anstel­le des­sen schritt­wei­se ihre Grund­prei­se erhö­hen, brau­chen dann aber einen lan­gen Atem. Egal wel­cher Weg gewählt wird, das Ziel einer höhe­ren Pla­nungs­si­cher­heit lässt sich nur mit höhe­ren Grund­preis­an­tei­len errei­chen. Die Fra­ge ist nur, wie­viel Zeit bleibt. Man­che ver­su­chen die öko­no­mi­schen Her­aus­for­de­run­gen mit Kre­di­ten zu bewäl­ti­gen, aber nicht alle Ban­ken spie­len mit, zumal auch die­se ver­mehrt auf die Kapi­tal­kos­ten­de­ckung schau­en.

Die Grundpreise steigen auf breiter Front

Der BDEW (Bun­des­ver­band der deut­schen Ener­gie- und Was­ser­wirt­schaft) beob­ach­tet seit Jah­ren die­se Ent­wick­lung der Was­ser­preis­struk­tu­ren. Beim Blick auf die fes­ten Ent­gelts­an­tei­le am Gesamt­preis bzw. an der Gesamt­ge­bühr, stellt man ein ste­ti­ges Anwach­sen der fixen Ent­gel­te fest. Betrug die­ser Anteil im Jah­re 2011 noch 11,5 %, weist jetzt der bun­des­deut­sche Durch­schnitt einen Wert von 15,4 % aus. De fac­to – so die Ana­ly­se des BDEW – ist dies in sie­ben Jah­ren ein Anstieg von mehr als einem Drit­tel. Allein von 2107 auf 2018 betrug der Anstieg einen Pro­zent­punkt.

 

Nach der Ana­ly­se der BDEW stei­gen die fes­ten Ent­gel­te auf brei­ter Front an. Ein Ver­gleich der Jah­re 2017 und 2018 bei den fes­ten Preis- bzw. Gebüh­ren­be­stand­tei­len zeigt, dass bun­des­weit 13,2 % der Ver­sor­ger, also bei­na­he jeder sieb­te, ihre Grund­prei­se erhöht haben. Über­durch­schnitt­lich hoch ist die­ser Anteil in Nie­der­sach­sen (17,2 %), Sach­sen-Anhalt (17,2%) und Nord­rhein-West­fa­len (16,4 %). Im Saar­land haben sich sogar mehr als die Hälf­te der Unter­neh­men (54,1 %) dafür ent­schie­den, ihre fes­ten Preis- bzw. Gebüh­ren­be­stand­tei­le nach oben hin anzu­pas­sen. In eini­gen Bun­des­län­dern wur­de dage­gen die­se Mög­lich­keit der Preis-/Ge­büh­ren­er­hö­hung weit sel­te­ner gewählt, so in Sach­sen (4,9 %), Meck­len­burg-Vor­pom­mern (5,6 %), Schles­wig-Hol­stein (6,5 %) und Bay­ern (7,6 %).

Fes­te Was­ser­ent­gelt­an­tei­le in den Bun­des­län­dern (BDEW, 2018)

Umstellungen auf höhere Grundpreisanteile sind erfolgreich

Der Trend zu stei­gen­den Grund­preis­an­tei­len begann im Jah­re 2012. Damals hat­te die Mül­hei­mer RWW die bis dahin größ­te Umstel­lung voll­zo­gen. Fast 800.000 Men­schen beka­men einen neu­en Was­ser­preis – den Sys­tem­preis. Von 20 Pro­zent Grund­preis­an­teil ging es hoch auf 50 Pro­zent Sys­tem­preis­an­teil. Im Gegen­zug wur­den die Men­gen­prei­se gesenkt. Um die Umstel­lung nach dem Sys­tem­preis­mo­dell aus­ge­wo­gen zu gestal­ten, wur­den die fes­ten Ent­gel­te an den Wohn­ein­hei­ten aus­ge­rich­tet. Die erst­ma­lig so offe­ne und pro­ak­ti­ve Kom­mu­ni­ka­ti­on dürf­ten maß­geb­lich zur hohen Akzep­tanz bei­getra­gen haben. Die FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG schrieb damals über die Umstel­lung der RWW: „Eines Tages wird man viel­leicht sagen, dass die deut­sche Was­ser­re­vo­lu­ti­on in Mühl­heim an der Ruhr begon­nen hat. Dort hat der Was­ser­ver­sor­ger RWW, eine Betei­li­gung des Ener­gie­rie­sen RWE im Janu­ar sein Tarif­sys­tem geän­dert.“

FAZ-Arti­kel anläß­lich Sys­tem­preis-Ein­füh­rung der RWW

Dem ers­ten Pro­jekt im RWW-Gebiet folg­ten vie­le wei­te­re. Umge­stellt haben die Stadt­wer­ke in Kre­feld, in Jülich, in Düren, in Esch­wei­ler, in Vel­bert, in Ratin­gen, in Aschers­le­ben, in Schwei­zer, in Alden­ho­ven, im Hoch­sauer­land­kreis … und am 1.1.2018 in Köln, um nur eini­ge zu nen­nen. Wei­te­re sind schon in Bear­bei­tung – auch in Bay­ern.

Das Mül­hei­mer Pro­jekt beglei­te­te ich von der ers­ten Stun­de an in der Pro­jekt­lei­tung und Kom­mu­ni­ka­ti­on. Seit­dem pro­fi­tie­ren ande­re Ver­sor­ger von unse­rem Bera­tungs-Know-how. Rund 2,5 Mil­lio­nen Bun­des­bür­ger wer­den mitt­ler­wei­le mit dem Sys­tem­preis abge­rech­net. In 2020 dürf­ten es drei Mil­lio­nen wer­den. Kei­ne Über­ra­schung, dass der BDEW stei­gen­de Grund­preis­an­tei­le regis­triert.

In übrigen Europa sind hohe Grundpreisanteile üblich

Auch wenn die fes­ten Preis- bzw. Gebüh­ren­an­tei­le beim Trink­was­ser in Deutsch­land gestie­gen sind, lie­gen sie immer noch deut­lich unter denen in vie­len ande­ren euro­päi­schen Län­dern. Ledig­lich in Polen, Rumä­ni­en, Russ­land und Tsche­chi­en sind kei­ne Grund­preis­an­tei­le aus­ge­wie­sen. Zudem lie­gen Ungarn (2,3 %), Bel­gi­en (14,7 %) und Frank­reich (14,6 %) unter dem deut­schen Wert. In Eng­land gab es vor eini­gen Jah­ren gar kei­nen Men­gen­prei­se, weil der Ver­brauch nicht erfasst wur­de. Jetzt wer­den im gro­ßen Maß­stab Zäh­ler ein­ge­baut, so machen auch Men­gen­prei­se Sinn.

 

Preis­um­stel­lung bei der Rhein­ener­gie AG nach dem Sys­tem­preis­mo­dell

 

EU-Kommission will Wasserverbrauch mit Hilfe der Wasserpreispolitik senken

Mit­te Febru­ar traf ich die EU-Direk­to­rin Vera Man­fre­di, sie ist in der Kom­mis­si­on zustän­dig für Was­ser­po­li­tik. Bei der Gele­gen­heit frag­te sie mich nach mei­ner Ein­schät­zung zu den preis­po­li­ti­schen Ein­fluss­mög­lich­kei­ten des Was­ser­ver­brauchs. Die EU-Kom­mis­si­on wol­le, so Man­fre­di, ange­sichts der kli­ma­ti­schen Ände­run­gen den Was­ser­ver­brauch in Euro­pa sen­ken. Dabei sol­len Was­ser­prei­se hel­fen. Ander­seits fürch­te sie, dass die Kos­ten­de­ckung dadurch gefähr­det wer­de, wenn tat­säch­lich weni­ger ver­braucht wür­de und ange­sichts der hohen Men­gen­prei­se die Umsatz­er­lö­se zurück­ge­hen. Genau das sei das Pro­blem, erklär­te ich ihr und ver­wies auf eben jene Preis­um­stel­lun­gen die den deut­schen Ver­sor­gern mehr Sicher­heit geben. Man­fre­di fand die Aus­füh­run­gen span­nend, wir wer­den sicher Gele­gen­heit fin­den, uns dazu noch ein­mal aus­zu­tau­schen.

Ausblick

Der Trend stei­gen­der Grund­prei­se nimmt an Dyna­mik zu. Immer mehr Ver­sor­ger stel­len ihre Preis­sys­te­me um. Noch gibt es in eini­gen Bun­des­län­dern Nach­hol­be­darf. Die Rah­men­be­din­gun­gen sind güns­tig, das Know-how vor­han­den und die Akzep­tanz mitt­ler­wei­le hoch, da auch der BGH den Umstel­lun­gen Grü­nes Licht gege­ben hat und auch von Lan­des­kar­tell­be­hör­den kei­ne Ein­wän­de bekannt sind, dürf­te sich der Trend fort­set­zen. War­um abwar­ten?

Für Rück­fra­gen ste­he ich ger­ne zur Ver­fü­gung.

Wei­ter­füh­ren­des

  • Preise/Gebühren in der Was­ser­wirt­schaft 2018 – BDEW-Ana­ly­se
  • „Was­ser marsch“, FAZ, 20.7.2012
  • Was­ser­prei­se“ auf Lebens­raum­was­ser

Erst­mals ver­öf­fent­licht am 26.03.2019 auf lebensraumwasser.com