Warum Wasserpreise allein für das Wassersparen zu wenig Anreiz bieten, erklärt eine EU-Studie
Jeder Wasserversorger stellt sich regelmäßig die Frage, ob er seine Preise erhöhen oder das Preissystem auf höhere Grundpreis umstellen sollte und wie sich das auf die Wassernachfrage auswirkt. Viele fürchten nicht nur Ärger mit den Kunden, sondern auch Nachfragerückgänge und verzichten daher lieber auf die Preiserhöhungen. Sie werden jetzt aufatmen, denn eine EU-Studie belegt, dass die Preiselastizität der Nachfrage bei Trinkwasser viel zu gering ist, um wirklich spürbar zu sein. Zum Wassersparen bedarf es weiterer Impulse.
Doch der Reihe nach. Eines der Hauptziele der EU-Wasserpolitik ist die ausreichende Verfügbarkeit von Trinkwasser. Damit verbunden ist ein Ressourcenmanagement, das trotz Klimawandels und regional geringem Dargebot den Konsumenten das Wasser im erforderlichen Umfang bereit hält – und natürlich in der erforderlichen Qualität. Um das zu erreichen, müssen Verbrauchsverhalten und betriebliches Management auf die knapper werdenden Ressourcen ausgerichtet werden. Wenngleich auf Deutschland insgesamt bezogen, Wasserknappheit verneint werden kann, so gibt es doch Regionen, in denen es manchmal eng werden kann. In einigen Ländern der EU ist die Wasserknappheit allgegenwärtig. Die Studie „Water management in Europe: price and non-price approaches to water conservation“ („Wassermanagement in Europa: Preisbezogene und nicht-preisbezogene Ansätze für das Wassersparen“) der Europäischen Umweltagentur (EEA) hat daher untersucht, ob Wasserpreise die richtigen Instrumente sind, um Einfluss auf das Verbraucherverhalten zu nehmen und welche Instrumente sonst noch zum Einsatz für eine nachhaltige Wasserwirtschaft kommen könnten.
Wasserpreise allein wirken sich nicht signifikant auf das Verbrauchsverhalten aus
Jetzt können Wasserversorger zumindest bei den Preiseffekten aufatmen. Das Expertenergebnis kommt nach der Analyse von Studien und Daten europäischer Wasserversorger zu dem Ergebnis: Es gibt keinen Beleg dafür, dass sich Wasserpreise allein signifikant auf das Verbrauchsverhalten auswirken können. Zwar können Wasserpreise den Verbrauch beeinflussen, aber wenn, dann nur schwach ausgeprägt und in Kombination mit anderen Instrumenten. Grundlage dieser Feststellung sind Ergebnisse zu Preiselastizitäten der Wassernachfrage in der Fachliteratur. Bei der Preiselastizität der Nachfrage geht es darum, wie stark sich die Nachfrage verändert, wenn der Preis für ein Gut verändert wird. Aufgrund entsprechender Analysen beim Wasserversorger RWW waren Professor Mark Oelmann und ich schon 2010 im Zusammenhang mit der Entwicklung des Systempreismodells zu dem Ergebnis gelangt, dass sich die Elastizität bei Haushaltskunden in einer Bandbreite von – 0,03 bis – 0,26 (Mehrfamilienhausbewohner=Mieter bzw. Einfamilienhausbewohner) bewegt (d.h. bei 1-%iger Preissteigerung geht die Nachfrage um 0,03% Prozent zurück), also fast gar nicht. Genau das bestätigt jetzt die EU-Studie.
Preiskommunikation als wichtige Begleitmaßnahme. Mieter erhalten selten Preisinformationen
Das bedeutet natürlich nicht, dass Wasserpreise sich gar nicht auf den Verbrauch auswirken, als alleiniges Instrument wird ihre Wirkung zumeist überschätzt. Um ein Wassersparen auf Seiten der Konsumenten auszulösen, sollten daher Preiserhöhungen von gezielten Preiskommunikationsmaßnahmen, also Aufklärungsarbeit und Aufmerksamkeitskampagnen für das Thema Wasser begleitet werden. Das erklärt sich auch mit der Besonderheit der Wasserpreise in der Wahrnehmung der Nutzer. Anders als beim Benzin oder bei Mineralwasser erhält man nicht auch die Preisinformation für das genutzte Gut. Zunächst klebt der Preis nicht auf der Ware, sondern steht im Preisblatt oder auf der Rechnung, die man einmal jährlich erhält. Aber auch nicht jeder-„man“: In Mehrfamilien-Miethäusern rechnet der Vermieter die Wasserkosten als Bestandteil der Nebenkosten ab. Mieter erhalten daher nicht nur keine Preisinformation, sie werden auch für ihr Sparverhalten nicht honoriert (davon, dass sie für Wasserverschwendung auch nicht „bestraft“ werden, zeugen manche Nachbarschaftsstreitigkeiten über zu langes Duschen). Daraus könnte die Schlussfolgerung gezogen werden, dass die Preiselastizität insgesamt umso ausgeprägter sein wird, je weniger Miethäuser in einem Versorgungsgebiet sind. Die Unkenntnis der Wassernutzer wird auch im Zuge von Verbraucherbefragungen immer wieder belegt. So stellt die – auch in der EU-Studie erwähnte – Erhebung des Instituts I.E.S.K. fest, dass Konsumenten nur selten den Preis kennen (aber häufig meinen, er sei zu hoch), was durch eine Befragung im Rahmen des NRW-Benchmarking bestätigt wird, wonach nur 42 % ihren Wasserpreis zumindest ungefähr zu kennen glauben. Wie sollen die anderen 58 % auf Wasserpreissteigerungen reagieren, wenn sie diesen nicht kennen oder wahrnehmen?
Erstmals veröffentlicht am 17.07.2017 auf lebensraumwasser.com