BGH-Urteil schafft Rechtssicherheit für neue Wasserpreissysteme

Der Bun­des­ge­richts­hof (BGH) muss sich nicht häu­fig mit Was­ser­prei­sen befas­sen. Das letz­te Urteil hat­te wich­ti­ge Neben­wir­kun­gen für zukunfts­si­che­re Preis­sys­te­me, die heu­te so drin­gend benö­tigt wer­den. Denn die­se hat­ten vom BGH wei­te­re Rücken­de­ckung erhal­ten. Die Urtei­le hat­ten auf die Nach­fra­ge nach Umstel­lun­gen deut­lich posi­ti­ve Aus­wir­kun­gen.

Im Jahr 2015 muss­te der BGH klä­ren, ob ein Was­ser­ver­sor­ger, um den Grund­preis fest­zu­le­gen, statt der weit ver­brei­te­ten „Zäh­ler“ die „Wohn­ein­hei­ten“ zugrun­de legen darf und nicht auf Per­so­nen­zahl in den Haus­hal­ten oder Wohn­flä­chen zurück­grei­fen. Auch muss­te er klä­ren, ob der Was­ser­preis eben­falls für leer­ste­hen­de Woh­nun­gen ent­rich­tet wer­den muss. Bei­des darf er, sagt die höchs­te Instanz. Zudem schloss sich der BGH der mitt­ler­wei­le in vie­len Urtei­len auf­find­ba­ren Bevor­zu­gung der Wohn­ein­heit als den „fei­ne­ren Maß­stab“ für die Grund­preis­be­mes­sung an. Die Urtei­le stüt­zen auch mit­tel­bar die Ansät­ze im Sys­tem­preis­mo­dell der RWW, das zwar nicht „vor Gericht“ stand, aber davon pro­fi­tiert. In der prak­ti­schen Umset­zung und sei­nen Aus­wir­kun­gen auf Kun­den und Ver­sor­ger ist es noch aus­ge­wo­ge­ner und ver­ur­sa­chungs­ge­rech­ter.

Der Wirklichkeitsmaßstab für den Grundpreis ist unzumutbar für Versorger

Geklagt hat­ten Woh­nungs­wirt­schafts­un­ter­neh­men gegen einen Was­ser­ver­sor­gungs­ver­band in Sach­sen. In sei­nen Ent­schei­dun­gen stellt der BGH fest, dass der Grund­preis für Wohn­grund­stü­cke ohne wei­te­re Unter­schei­dung allein nach der Anzahl der Wohn­ein­hei­ten bemes­sen wer­den kann. Die Bedeu­tung der Per­so­nen­zahl oder der Woh­nungs­grö­ße hat er ver­neint. Der BGH hat am 23. Juni 2015 drei Grund­satz­ur­tei­le (Az.: VIII ZR 136/14  und VIII ZR 164/14 und VIII ZR 338/14) ver­öf­fent­licht.

In den Streit­fäl­len ging es um die Was­ser­rech­nung im All­ge­mei­nen Tarif bei dem ein Men­gen­preis für die gelie­fer­te Was­ser­men­ge und ein Grund­preis für die Anzahl der ver­sorg­ten Wohn­ein­hei­ten zu zah­len war. Der Grund­preis sah für jede Wohn­ein­heit einen gleich hohen Grund­preis vor. Und genau das wur­de bestrit­ten und statt­des­sen von der Woh­nungs­wirt­schaft ein Maß­stab gefor­dert, der die Anzahl der Per­so­nen eines Haus­halts oder gar die Woh­nungs­grö­ße zugrun­de legt. Dem folg­ten die Rich­ter nicht. Der Unter­neh­mer habe einen Ermes­sens­spiel­raum, urteil­ten sie. Er müs­se nicht nach dem rich­ti­gen Maß­stab suchen, wenn die­ser nicht umsetz­bar ist (man nennt dies auch „Wirk­lich­keits­maß­stab“). Wie soll ein Ver­sor­ger die Haus­halts- oder die Woh­nungs­flä­che mes­sen kön­nen? Des­we­gen darf er den prak­ti­ka­blen Maß­stab wäh­len und das ist die Wohn­ein­heit (dies nennt man „Wahr­schein­lich­keits­maß­stab“).

Das The­ma Wohn­ein­hei­ten-Grund­prei­se für Leer­stand führt bei betrof­fe­nen Kun­den zu Unver­ständ­nis. Sie wol­len dann für die leer­ste­hen­den Woh­nun­gen kei­nen Grund­preis bezah­len, weil in die­ser ja kein Was­ser genom­men wird, so die Logik. Das sehen die Gerich­te anders. Nicht die ande­ren Mie­ter müs­sen dafür auf­kom­men, in dem der Ver­mie­ter den Grund­preis für den Leer­stand umlegt. Aber auch nicht der Ver­sor­ger (oder des­sen ande­ren Kun­den) muss das wirt­schaft­li­che Risi­ko einer Ver­mie­tung tra­gen, son­dern allein der Ver­mie­ter. Denn, so die Logik der Sys­tem­vor­hal­te­leis­tung, schließ­lich wer­de das Was­ser­ver­sor­gungs­sys­tem ja auch wei­ter vor­ge­hal­ten – unab­hän­gig davon, ob oder eine Woh­nung leer steht oder Was­ser abge­nom­men wird.

Vie­le Was­ser­ver­sor­ger und Stadt­wer­ke, die sich mit der Fra­ge befas­sen, ob sie ihr Tarif­sys­tem für Trink­was­ser auf Wohn­ein­hei­ten umstel­len kön­nen, konn­ten mit die­sen höchst­rich­ter­li­chen Urtei­len auf­at­men.

Rechts­si­cher­heit für Tarif­um­stel­lun­gen mit Wohn­ein­hei­ten­maß­stab  

Die Was­ser­ver­sor­gungs­un­ter­neh­men sehen sich in einem dyna­mi­scher wer­den­den Umfeld zuneh­men­den Her­aus­for­de­run­gen gegen­über­ge­stellt. Vie­le Rah­men­be­din­gun­gen ändern sich, ohne dass die Unter­neh­men Ein­fluss dar­auf neh­men kön­nen. Die auf Lang­fris­tig­keit ange­leg­ten Infra­struk­tu­ren sind mit immer stär­ker schwan­ken­den und über­wie­gend rück­läu­fi­gen Nach­fra­ge­ent­wick­lun­gen kon­fron­tiert. Die meis­ten wir­ken sich auch auf die wirt­schaft­li­che Situa­ti­on der Was­ser­ver­sor­ger aus und beein­träch­ti­gen damit deren Was­ser­prei­se und deren Kos­ten­de­ckung. Den Unter­neh­men bie­ten sich nur weni­ge Anpas­sungs­mög­lich­kei­ten aus eige­ner Kraft. Eine davon ist die Umstel­lung des Preis­sys­tems. Vie­le Was­ser­ver­sor­ger suchen jetzt einen Weg, die hohen Fix­kos­ten des Trink­was­ser­ver­sor­gungs­sys­tems ohne gro­ße Be- oder Ent­las­tun­gen für die Kun­den in den Grund­prei­sen zu berech­nen. Ide­al ist hier­für die Wohn­ein­heit. Anders als der Zäh­ler schafft sie mehr Gerech­tig­keit, Aus­ge­wo­gen­heit und ver­hin­dert Belas­tungs­sprün­ge. Sie ver­teilt den Erlös­be­darf brei­ter und bie­tet die Mög­lich­keit, viel mehr Unter­schei­dun­gen bei der Wei­ter­be­rech­nung der Vor­hal­te­kos­ten vor­zu­neh­men, als es die weni­gen Zäh­ler­grö­ßen zulas­sen. Auch Preis­er­hö­hun­gen wer­den so erträg­li­cher. Denn wenn der Grund­preis erhöht wird, dann trifft das Ein­fa­mi­li­en­häu­ser im stär­ke­ren Maße als Haus­hal­te in Mehr­fa­mi­li­en­häu­sern. Die­se kön­nen die Grund­prei­se und die Anhe­bun­gen tei­len.

Deut­lich aus­ge­wo­ge­ner noch wird es, wenn die Grund­prei­se für die Wohn­ge­bäu­de in Abhän­gig­keit ihrer Grö­ße nach Wohn­ein­hei­ten degres­siv gestaf­felt wer­den. Die­ses mitt­ler­wei­le von zahl­rei­chen Ver­sor­gern über­nom­me­ne so genann­te „Sys­tem­preis­mo­dell“ hat der Ver­sor­ger RWW Rhei­nisch-West­fä­li­sche Was­ser­werks­ge­sell­schaft mbH (gemein­sam mit MOcons) ent­wi­ckelt und 2012 ein­ge­führt.

Das „Sys­tem­preis­mo­dell“ gibt die Kos­ten­vor­tei­le bei grö­ße­ren Wohn­ge­bäu­den an die Kun­den wei­ter (so genann­te Syn­er­gie­ef­fek­te). Das ist bei her­kömm­li­chen Wohn­ein­hei­ten-Tarif­sys­te­men, die für jede Wohn­ein­heit den­sel­ben Grund­preis ver­lan­gen, wie bei dem Ver­sor­ger in Sach­sen nicht der Fall.

Das gro­ße Inter­es­se an die­sem Sys­tem­preis­mo­dell wird durch eine Befra­gung von Exper­ten aus Was­ser­ver­sor­gungs­un­ter­neh­men belegt. Neben der RWW haben bereits zahl­rei­che klei­ne und gro­ße Was­ser­ver­sor­ger wie u.a. die Köl­ner Rhein­Ener­gie, die SWK Stadt­wer­ke Kre­feld, die Dort­mun­der DEW21 sowie die Hoch­sauer­land­was­ser, die Stadt­wer­ke Aschers­le­ben und Stadt­wer­ke Zeitz und die VWA Alden­ho­ven die­ses Preis­sys­tem erfolg­reich in ihrem Ver­sor­gungs­ge­biet ein­ge­führt.

Degres­si­ves Sys­tem­preis­mo­dell für Wohn­ge­bäu­de der RWW

Der Bun­des­ver­band der deut­schen Ener­gie- und Was­ser­wirt­schaft (BDEW) hat in einer Exper­ten­be­fra­gung vor eini­gen Jah­ren her­aus­ge­fun­den, dass immer mehr Ver­sor­ger die Wohn­ein­heit bei Umstel­lun­gen wäh­len wol­len. 53 Pro­zent der Befrag­ten hiel­ten in der Befra­gung im Jah­re 2014 die Wohn­ein­heit für geeig­net, mit 48 Pro­zent ein nur wenig gerin­ger Anteil der rund 240 Teil­neh­mer der Befra­gung den Sys­tem­preis, der sich eben­falls an den Wohn­ein­hei­ten ori­en­tiert, die­se aber im Sys­tem­preis­mo­dell degres­siv an den Wohn­ge­bäu­de­grö­ßen aus­rich­tet (sie­he Abbil­dung oben).

Wohneinheit ist der geeignetere Maßstab

Dass die Wohn­ein­heit nicht nur geeig­net, son­dern zu wei­len auch der bes­se­re Maß­stab sei, haben auch schon vie­le ande­re Gerich­te ent­schie­den. Das Ober­lan­des­ge­richt Naum­burg kam in sei­nem Urteil vom 13.11.2008 (AZ 6 U 63/08) sogar zu dem Schluss, dass die Wohn­ein­heit für die Grund­preis­be­mes­sung bei Was­ser­prei­sen der „fei­ne­re“ Maß­stab als der weit ver­brei­te­te Zäh­ler sei, ad er zu einer zu einer grö­ße­ren Gebüh­ren­ge­rech­tig­keit führt (so auch OVG Schles­wig-Hol­stein, Urteil v. 22.09.1994, 2 L 93/93, Rn. 32; VG Pots­dam, Urteil v. 13.11.2002, 8 K 6109/00, Rn. 64, 67).

Befra­gung zu Trink­was­ser­mo­del­len (2014), BDEW, HRW, RWW

Die Was­ser­ver­sor­ger dürf­ten ange­sichts des BGH-Urteils jetzt mit mehr Sicher­heit die in wei­ten Tei­len Deutsch­lands drin­gend erfor­der­li­chen Anpas­sung ihrer Preis- und Gebüh­ren­sys­te­me ange­hen. Denn ohne Fra­ge beschränkt sich die Logik nicht allein auf Trink­was­ser, bei Abwas­ser sind Her­aus­for­de­run­gen und Hand­lungs­er­for­der­nis­se nicht min­der groß.

Wer als Was­ser­kun­de oder Was­ser­ver­sor­ger noch Fra­gen zu die­sem The­ma hat, die hier nicht beant­wor­tet sind, kann mich ger­ne anspre­chen. Ein­fach das Kon­takt­for­mu­lar aus­fül­len …

Aktua­li­siert am 01.08.2023
Erst­mals ver­öf­fent­licht am 05.07.2015 auf lebensraumwasser.com