Warum sich Bayerns Wasserkunden auf höhere Gebühren einstellen müssen

In der deut­schen Was­ser­wirt­schaft muss mas­siv inves­tiert wer­den. Über­dün­gung in der Land­wirt­schaft gefähr­det die Was­ser­res­sour­cen. Damit wer­den die Was­ser­ent­gel­te stei­gen. So auch in Bay­ern. Weil vie­ler­orts Nach­wuchs­kräf­te feh­len, müs­sen sich dort auch die Struk­tu­ren in der Daseins­vor­sor­ge ändern. Der Baye­ri­sche Gemein­de­tag berei­tet die Bür­ger und Unter­neh­men auf Ver­än­de­run­gen vor.

Am Ran­de der 49. Füh­rungs­kräf­te­ta­gung des Baye­ri­schen Gemein­de­ta­ges, der vom 7. bis 10. Mai 2019 in Erding statt­fand, lud des­sen Füh­rungs­spit­ze zu einer Pres­se­kon­fe­renz ein. Gemein­de­tags­prä­si­dent Dr. Uwe Brandl, zugleich amtie­ren­der Prä­si­dent des Deut­schen Städ­te- und Gemein­de­bunds, zeig­te sich im Schul­ter­schluss mit Maxi­mi­li­an Gotz, Haus­herr und Erdin­ger Ober­bür­ger­meis­ter, stell­ver­tre­tend für die „kom­mu­na­le Fami­lie der Was­ser­ver- und Abwas­ser­ent­sor­ger“ ent­schlos­sen, für die Siche­rung und die Wei­ter­ent­wick­lung der baye­ri­schen Was­ser­wirt­schaft zu kämp­fen.

Wasserentgelte in Bayern werden steigen müssen, damit Investitionen möglich sind

In die aktu­el­le Debat­te zum Arten­schutz in Bay­ern will die dor­ti­ge Was­ser­wirt­schaft auch den Gewäs­ser­schutz ein­be­zie­hen. Unter dem Mot­to „Ret­tet das Trink­was­ser! Grund­was­ser­schutz ist auch Arten­schutz“ soll die all­ge­mei­ne Auf­merk­sam­keit auf das zuneh­mend drän­gen­der wer­den­de Pro­ble­me in der kom­mu­na­len Daseins­vor­sor­ge gelenkt wer­den. Wer auf Bay­ern schaut, wird fest­stel­len, dass vie­ler­or­ten die Was­ser­ent­gel­te gering sind. „Zu gering,“ stellt Brandl fest. Ein sol­cher Preis für Was­ser gäbe nicht des­sen Wert wie­der. „1,57 Euro durch­schnitt­lich in Bay­ern ist nicht nicht das rich­ti­ge Maß“. Es müs­se mas­siv in die Infra­struk­tur, Ver­sor­gungs- und Kanal­net­ze inves­tiert wer­den; allein 15 Mil­li­ar­den Euro in den nächs­ten fünf bis sie­ben Jah­ren in die Kanä­le. Wer eine qua­li­ta­tiv hoch­wer­ti­ge und zuver­läs­si­ge Was­ser­ver­sor­gung, der müs­se auch bereit sein, dafür mehr zu bezah­len. Wer als Betrieb sei­ne Ent­gel­te erhö­he und dies sei­nen Kun­den erklä­re, muss nach bis­he­ri­gen Erfah­run­gen kei­nen Wider­spruch fürch­ten. Nach­voll­zieh­bar und trans­pa­rent müs­se es aber sein. Bei der Lösung des Pro­blems for­dert er auch die Lan­des­re­gie­rung ein. Regio­na­le Dis­pa­ri­tä­ten sol­len durch die För­der­po­li­tik des Frei­staats aus­ge­gli­chen wer­den. Länd­li­che Regio­nen hät­ten wegen der gerin­ge­ren Anschluss­dich­te höhe­re Las­ten zu ver­tei­len als die Städ­te. Das müs­se auf­ge­fan­gen wer­den, so der Gemein­de­tags­prä­si­dent.

Es braucht überlebensfähige Wasser-Strukturen und
-Betriebe in Bayern

Brandl eröff­ne­te dann ein The­ma, das noch für Bewe­gung sor­gen wird. Die über­wie­gend in kom­mu­na­ler Hand befind­li­chen, klein­tei­li­gen Betrie­be in Bay­ern wol­len das Pro­blem zwar eigen­stän­dig bewäl­ti­gen und ihre Struk­tur bewah­ren, vie­le wür­de dabei aber an ihre Gren­zen stos­sen. Dort wo die Struk­tur unzu­läng­lich sei, wer­de es ande­re Lösun­gen geben müs­sen.

Teil­neh­mer an der Pres­se­kon­fe­renz: Scho­ber (Pres­se­spre­cher Baye­ri­scher Gemein­de­tag), Gotz (Ober­bür­ger­meis­ter Erding), Dr. Brandl (Prä­si­dent Baye­ri­scher Gemein­de­tag), Dr. Thi­met (Direk­to­rin Baye­ri­scher Gemein­de­tag) und Zapf (DVGW/­Re­cken­berg-Grup­pe)
(Foto: Gen­d­ries)

Über 2.000 kom­mu­na­le Betrie­be und Zweck­ver­bän­de lie­fern in Bay­ern das Trink­was­ser an die Kun­den, wäh­rend es bei­spiels­wei­se in NRW mit rund 400 Unter­neh­men sind. Den Pri­va­ten erteil­te Brandl eine Absa­ge. „Wir wol­len in Bay­ern kei­ne Pri­va­ti­sie­rung wie in Eng­land“, zog er eine „Rote Linie“. Ander­seits gestand er ein, dass vie­le „klei­ne Ver­sor­ger“ über­for­dert sei­en. Nach­wuchs­sor­gen sei­en ein sich zuneh­mend ver­schär­fen­des Pro­blem, auch und viel­leicht ins­be­son­de­re im Frei­staat, wo inter­es­san­te Arbeits­plät­ze in der Indus­trie locken. Da wo der Nach­wuchs fehlt, ist die Leis­tungs­fä­hig­keit gefähr­det. Daher schluss­fol­gert Brandl: „Die Qua­li­tät kann in der gegen­wär­ti­gen Klein­tei­lig­keit nicht gewähr­leis­tet wer­den“. Damit lei­tet der Chef des Baye­ri­schen Gemein­de­ta­ges einen Para­dig­men-Wech­sel in Bay­ern ein: Was­ser­ver- und Abwas­ser­ent­sor­ger müs­sen zu betrieb­li­chen Koope­ra­tio­nen zusam­men­fin­den. Das Prin­zip der loka­len Unab­hän­gig­keit dürf­te sich in eini­gen Regio­nen dem Ende nähern.

Landesregierung soll unterstützen

Vie­le klei­ne und mit­tel­gro­ße Kom­mu­nen sei­en zuneh­mend über­for­dert, erklärt Brandl. Als anschau­li­ches Bei­spiel für den Kooperations‑, aber auch für Unter­süt­zungs­be­darf führ­te er die Rück­ge­win­nung von Phos­phor aus den anfal­len­den Schläm­men kom­mu­na­ler Klär­an­la­gen an. Die­se Form der Klär­schlamm­nut­zung wird in Zukunft für vie­le Pflicht sein. Die Kom­mu­nen sei­en aber orga­ni­sa­to­risch und finan­zi­ell gar nicht in der Lage, die­se Anla­gen eigen­stän­dig zu errich­ten und zu betrei­ben. Zudem sei­en wirt­schaft­li­che Grö­ßen­ord­nun­gen für ein­zel­ne schlicht uner­reich­bar. Damit lei­te­te er sei­nen Appell an die Lan­des­re­gie­rung ein: Der Frei­staat müs­se die Pla­nung für der­ar­ti­ge Anla­gen über­neh­men und die not­wen­di­ge Infra­struk­tur in den Regio­nen schaf­fen. Ein Regio­nal­pla­nungs­pro­zeß, der die Kom­mu­nen bei der Bewäl­ti­gung die­ser Zukunfts­auf­ga­be unter­stüt­ze, sei unver­zicht­bar.

Kein „Bauern-Bashing“, aber Kritik an Teilen der Landwirtschaft ist gerechtfertigt

Durch land­wirt­schaft­li­che Akti­vi­tä­ten gera­ten auch in Bay­ern die Was­ser­res­sour­cen zuneh­mend unter Druck. Nitra­te und Pflan­zen­schutz­mit­tel errei­chen Grö­ßen­ord­nun­gen, die es immer mehr Ver­sor­gern unmög­lich machen, auf ört­li­che Res­sour­cen zurück­zu­grei­fen. Da muss sich etwas ändern – nicht nur Bay­ern. Nach­voll­zieh­bar, dass sich Brandl kamp­fes­lus­tig zeig­te: „Bau­ern-Bas­hing mag ich nicht, aber wir müs­sen mit der Land­wirt­schaft ein deut­li­ches Wort spre­chen. In der Land­wirt­schaft hat sich die Pare­to-Opti­ma­li­tät für die Bestim­mung der Betriebs­grö­ße ver­an­kert, aber es hat alles sei­ne Gren­zen“. Der Staat müs­se bei der Res­sour­cen­si­che­rung hel­fen. „Wir brau­chen eine fai­re För­de­rung. Die Ver­sor­ger müs­sen in der Lage sein, das Was­ser für die öffent­li­che Daseins­vor­sor­ge zu nut­zen. Die Bau­ern sind kei­ne homo­ge­ne Maße, vie­le sind bereit zur Koope­ra­ti­on. Mit denen arbei­ten wir auf Augen­hö­he. Alle ande­ren müs­sen ver­ste­hen, das die Sozi­al­pflich­tig­keit des Eigen­tums auch für die Land­wirt­schaft gilt.“ Damit dürf­te der Prä­si­dent des Baye­ri­schen Gemein­de­tags der Land­wirt­schaft die „gelb-rote Kar­te“ gezeigt haben.

Wasserversorger zeigen sich machtlos

Für die Ver­sor­ger brach­te es Fried­rich Zapf Werk­lei­ter der Recken­berg-Grup­pe, auf den Punkt: „Was­ser ist unser Roh­stoff. Wir kön­nen des­sen Qua­li­tät aber nicht beein­flus­sen, daher sind wir abhän­gig vom Ver­hal­ten der Bau­ern. Gegen die in den ver­gan­ge­nen Jah­ren stei­gen­de Belas­tung des Grund­was­sers sind wir macht­los.

Auch Nut­zungs­kon­kur­ren­zen sieht Brandl ver­stärkt auf die Regio­nen zukom­men. Son­der­kul­tu­ren brau­chen Bewäs­se­run­gen, aber dafür sei­en „klu­ge Kon­zep­te“ gefragt. Die Wie­der­ver­wen­dung von gebrauch­tem Was­ser, so wie von der EU favo­ri­siert, sieht Brandl nur auf lan­ge Sicht als Lösung an. Hier gäbe es, so beant­wor­tet er mei­ne Fra­ge, noch zu wenig Erfah­run­gen. Um das Men­gen­ma­nage­ment zu stär­ken, sieht er dage­gen Bedarf für die Erfas­sung von Stark­re­gen­er­eig­nis­sen und ein kli­ma­ge­rech­tes Manage­ment der Stau­seen. Dort wer­de zukünf­tig ein aus­ge­wo­ge­ne­res Hoch- und Nied­rig­was­ser­ma­nage­ment gefor­dert sein.

Verbraucher müssen mitziehen: ihr Verhalten ändern und die Zahlungsbereitschaft steigern

Die Ver­brau­cher sind eine wei­te­re Grup­pe, die Ver­ant­wor­tung tra­gen. Ober­bür­ger­meis­ter Gotz appel­lier­te an die Bevöl­ke­rung, ihr Ver­hal­ten bei Arz­nei­mit­teln zu ändern. Die Belas­tung der Abwas­ser mit Medi­ka­men­ten­rück­stän­den stei­ge unauf­hör­lich, skiz­ziert Gotz, zugleich Ver­bands­vor­sit­zen­der des Abwas­ser­zweck­ver­bands Erdin­ger Moos, die bedroh­li­che Ent­wick­lung und for­dert, „der Ver­brau­cher muss sorg­sa­mer mit der Was­ser­qua­li­tät umge­hen. Es reicht nicht, beim Volks­ent­scheid mit­zu­ma­chen, es muss sich auch etwas ändern“. Wegen die­ser Ent­wick­lun­gen wird die Was­ser­wirt­schaft mehr inves­tie­ren müs­sen – zusätz­lich zu den Instand­hal­tun­gen in die Net­ze. „Damit wir das Was­ser aus dem Hahn wei­ter­hin beden­ken­los trin­ken kön­nen, müs­sen wir mehr tun. Die Zah­lungs­be­reit­schaft muss da sein. Für das Was­ser muss man zah­len, was es uns wert ist“, stell­te auch Gotz stei­gen­de Ent­gel­te für Trink- und Abwas­ser in Aus­sicht. Wenn für die Ver­sor­gungs­si­cher­heit inves­tiert wer­de, dann dür­fe nicht dar­über dis­ku­tiert wer­den, ob das Trink­was­ser pro 1000 Liter zehn Cent mehr oder weni­ger kos­te. Wenn die Bür­ger spa­ren woll­ten, dann soll­ten auch sie sich gegen die Gül­le­flut weh­ren. Das Nitrat zu ent­fer­nen, kos­te etwa 50 bis 70 Cent je Kubik­me­ter Trink­was­ser. Die Bür­ger wür­den mit ihren Steu­ern die land­wirt­schaft­li­che Pra­xis der Dün­gung sub­ven­tio­nie­ren. Die Steu­ern und die in Fol­ge der Besei­ti­gung der Nitra­te im Was­ser ent­ste­hen­den Mehr­kos­ten müss­ten die Bür­ger als Steu­er­zah­ler und als Was­ser­kun­den tra­gen. „Kei­ne Dün­gung = weni­ger Steu­ern und sta­bi­le Was­ser­ent­gel­te“, lau­tet daher die Erfolgs­for­mel. Davon pro­fi­tie­ren zudem die Natur und der Arten­schutz.

Mehr Öffentlichkeitsarbeit und Transparenz

Zudem soll die Öffent­lich­keits­ar­beit der baye­ri­schen Was­ser­wirt­schaft ver­stärkt wer­den. Die Bür­ger sol­len auf die Ver­än­de­run­gen vor­be­rei­tet wer­den. Pro­ble­me und Her­aus­for­de­run­gen sol­len offen ange­spro­chen und Ver­ant­wort­li­che benannt wer­den. Da dürf­ten auch weit­hin unge­wohn­te Erklä­run­gen für das dro­hen­de Ende der Selbst­ver­ständ­lich­kei­ten beim Was­ser nicht mehr lan­ge auf sich war­ten las­sen. Der nächs­te gro­ße Schritt der Was­ser­wirt­schaft wer­den daher Ver­brau­cher­auf­klä­rung und Öffent­lich­keits­ar­beit sein. Dr. Julia­ne Thi­met, unter ihrer Regie läuft all­jähr­lich die Tagung, brach­te es auf den Punkt: „Wir brau­chen sie als Pres­se, die Bür­ger dar­über zu infor­mie­ren, wie wert­voll das Was­ser ist“, bat sie die anwe­sen­den Pres­se­ver­tre­ter um Unter­stüt­zung. Mit der Kam­pa­gne „Schau auf die Roh­re“ habe die Bran­che einen ers­ten wich­ti­gen Schritt getan, wei­te­re sol­len fol­gen.

Bayerns Wasserwirtschaft wird sich wandeln

Mein Fazit aus der Pres­se­kon­fe­renz? In Bay­ern ist etwas in Bewe­gung gera­ten. Lan­ge Zeit lies­sen sich dor­ti­ge Was­ser­ver­sor­ger fei­ern für ihre nied­ri­gen Was­ser­ent­gel­te. Bür­ger­meis­ter waren stolz, wenn sie ihre Nach­barn unter­bie­ten konn­ten. Doch das wur­de mehr und mehr zum Phy­rus­sieg. Jetzt zeigt sich, dass die sta­bi­len Ent­gel­te nicht Ergeb­nis von mehr Effi­zi­enz oder höhe­rer staat­li­cher För­de­rung waren, son­dern der Ver­nach­läs­si­gung der Inves­ti­tio­nen geschul­det sind. Nicht immer war es gewollt, es fehl­te schlicht das Per­so­nal. Bay­erns Was­ser­wirt­schaft kann sich des weit ver­brei­te­ten Nach­wuchs­di­lem­mas nicht ent­zie­hen. Aber Demo­gra­fi­scher Wan­del in den Betrie­ben kommt nicht über­ra­schend, War es „Augen zu und durch“? Man­cher­orts wohl schon. Die fach­li­chen Qua­li­fi­ka­tio­nen wur­den zum Eng­pass­fak­tor. Aber selbst hand­lungs­wil­li­gen Ver­bän­den fehl­ten die Alter­na­ti­ven. Immer mehr Werk­lei­ter und Fach­leu­te schei­den aus. In der Kon­se­quenz sind struk­tu­rel­le und orga­ni­sa­to­ri­sche Lösun­gen nun­mehr alter­na­tiv­los. Die gewohn­te und gelieb­te Klein­tei­lig­keit und Unab­hän­gig­keit wer­den in Zukunft nicht mehr mög­lich sein. Koope­ra­tio­nen sind das Gebot der Stun­de. Womög­lich wird in den kom­men­den Jah­ren auch die Zahl der Betrie­be sin­ken. Pri­va­ti­sie­rung ist dage­gen nicht gewollt. Die kom­mu­na­le Fami­lie will kei­ne Fremd­kör­per. Es gibt viel zu tun. Der Baye­ri­sche Gemein­de­tag läßt kei­nen Zwei­fel dar­an, dass er das auch schaf­fen will. Mit die­ser Offen­heit sind ihm Wohl­wol­len und Ver­ständ­nis der Bür­ger gewiss.

Weiterführendes / Quellen

  • Pres­ser­klä­rung „Ret­tet das Trink­was­ser! Grund­was­ser­schutz ist auch Arten­schutz“ Her­un­ter­la­den
  • Baye­ri­scher Gemein­de­tag hier
  • „Land­tag: Viel Lob und etwas Kri­tik für Arten­schutz-Paket“ – BR Fern­seh­bei­trag und Arti­kel
  • Was­ser­wirt­schaft in Bay­ern – Baye­ri­sches Umwelt­mi­nis­te­ri­um hier
  • Phos­phor­rück­ge­win­nung aus Klär­schlamm wird zur Pflicht, Umwelt­bun­des­amt, hier
  • Recken­berg-Grup­pe, hier