Wasserpreise steigen! Das sollten sie auch!

Trink­was­ser wird in wei­ten Tei­len Deutsch­lands immer teu­rer. Aber gleich­zei­tig ist das Was­ser aus der Lei­tung mit rund 0,2 Cent je Liter das preis­wer­tes­te Lebens­mit­tel. Eine aktu­el­le Ana­ly­se der GRÜ­NEN-Bun­des­tags­frak­ti­on hat für brei­te media­le Reso­nanz gesorgt. Doch war­um ver­än­dern sich die Prei­se? Was sind die Grün­de für die Unter­schie­de in Deutsch­land? Bun­des­weit sei­en die Kos­ten für Trink­was­ser zwi­schen 2005 und 2016 um mehr als 25 % gestie­gen – das wären knapp 50 Euro pro Jahr pro Haus­halt. Je nach Bun­des­land zah­len laut Pres­se­mit­tei­lung der GRÜNEN die Haus­hal­te bis zu 41,83 % mehr für ihr Trink­was­ser als in ande­ren Bun­des­län­dern – In NRW zahlt ein Haus­halt 296 Euro, in Ber­lin nur 172 Euro pro Jahr. Aber jeder wird wis­sen, dass der Ver­gleich hinkt.

Gute Grün­de gibt es für die zu erwar­ten­den Preis­ent­wick­lun­gen

Die Was­ser­prei­se wer­den wei­ter stei­gen. Das ist nicht nur zu ver­mei­den, es ist auch in unse­rem Inter­es­se. Denn was es bedeu­tet, wenn ein Inves­ti­ti­ons­stau nicht bewäl­tigt wird, sieht man aktu­ell an der Was­ser­ver­sor­gungs­in­fra­struk­tur in den USA.

Wie es in Deutsch­land wei­ter gehen könn­te, zeigt die nach­fol­gen­de Ana­ly­se:

(1) Stei­gen­de Inves­ti­ti­ons­er­for­der­nis­se
An der Zuver­läs­sig­keit und Qua­li­tät der Trink­was­ser­net­ze und Auf­be­rei­tungs­an­la­gen darf nicht gespart wer­den. Die deut­schen Ver­sor­ger stei­gern ihre Inves­ti­tio­nen in den Aus­bau und die Erneue­rung ihrer Infra­struk­tur. Im Ver­gleich zu 2016 sei­en die Inves­ti­tio­nen der Trink­was­ser­ver­sor­ger um fast vier Pro­zent auf 2,7 Mrd. Euro ange­stie­gen (2015: 2,6 Mil­li­ar­den Euro) berich­tet der BDEW. Einen gro­ßen Anteil (63 Pro­zent) inves­tie­ren die Ver­sor­gungs­un­ter­neh­men der Was­ser­wirt­schaft in Anla­gen und Rohr­net­ze. Hier gab es mit + 5,7 Pro­zent eine über­durch­schnitt­li­che Wachs­tums­ra­te. Ursäch­lich hier­für sei­en ins­be­son­de­re deut­lich gestie­ge­ne Sanie­rungs- und Erneue­rungs­in­ves­ti­tio­nen für die Trink­was­ser­net­ze der Was­ser­ver­sor­gungs­un­ter­neh­men, so der BDEW. Es ist unmit­tel­bar ein­leuch­tend, dass die­se Inves­ti­tio­nen sich auch in den Prei­sen nie­der­schla­gen müs­sen. Hin­zu kom­men die schon ein­gangs erwähn­ten Kos­ten­trei­ber aus der Beein­träch­ti­gung der Was­ser­res­sour­cen.

(2) Beein­träch­ti­gung der natür­li­chen Was­ser­res­sour­cen
Aus Sicht der GRÜNEN, deren Stel­lung­nah­me mir vor­liegt, und der was­ser­wirt­schaft­li­chen Ver­bän­de war es die Auf­be­rei­tung von Trink­was­ser, die von 2014 bis 2016 im Ver­gleich zu den Vor­jah­ren deut­lich teu­rer gewor­den ist. Hier­für sind die stei­gen­den Beein­träch­ti­gun­gen der Grund­was­ser- und Ober­flä­chen­was­ser-Res­sour­cen durch Mas­sen­tier­hal­tung und Nitra­ten, Pes­ti­zid-Ein­satz und Medi­ka­men­ten-Rück­stän­de ursäch­lich. In den kom­men­den Jah­ren könn­ten die Trink­was­ser­prei­se in Tei­len Deutsch­lands wei­ter stei­gen – wegen stär­ke­rer Pro­ble­me durch Über­dün­gung. Das Umwelt­bun­des­amt warnt des­halb vor Preis­stei­ge­run­gen von 32 bis 45 Pro­zent. Eine vier­köp­fi­ge Fami­lie müss­te dann bis zu 134 € im Jahr mehr bezah­len.

(3) Abbau staat­li­cher Sub­ven­tio­nen bei der Trink­was­ser­in­fra­struk­tur
„Es ist pro­ble­ma­tisch, dass Auf­bau und Erhalt von Trink­was­ser­in­fra­struk­tur vie­ler­orts über Jahr­zehn­te mit Steu­er­gel­dern sub­ven­tio­niert wur­den und sich die öffent­li­che Hand jetzt finan­zi­ell eher zurück­zieht. Das führt dazu, dass gera­de klei­ne und mitt­le­re Ein­kom­men noch stär­ker durch die stei­gen­den Trink­was­ser­prei­se belas­tet wer­den. Die Kos­ten müs­sen wie­der fai­rer und soli­da­ri­scher ver­teilt wer­den, damit unser Trink­was­ser für alle bezahl­bar bleibt“, erklärt Mar­kus Tre­sen, MdB, Spre­cher für Länd­li­che Räu­me, Regio­nal­po­li­tik und Tou­ris­mus­po­li­tik. Ein anschau­li­ches Bei­spiel für eine neue Sub­ven­ti­ons­po­li­tik lie­fert Bay­ern: Von den 45 Mil­li­ar­den Euro, die die Kom­mu­nen im Frei­staat seit 1946 in ihre Trink­was­ser­ver­sor­gung- und Abwas­ser­ent­sor­gungs­an­la­gen inves­tiert haben, stam­men über 12 Mil­li­ar­den Euro aus Zuwen­dun­gen (also zu weit mehr als 25 %) des Frei­staa­tes. Das hat die Was­ser­prei­se mas­siv ent­las­tet. Die­se Unter­stüt­zung ist zukünf­tig gemäß der Zuwen­dungs­richt­li­ni­en (RZWas 2016) an stren­gen Maß­stä­be gebun­den. Für die neue Här­te­fall­för­de­rung stan­den im Jahr 2016 zwar immer noch 30 Mio. Euro zur Ver­fü­gung, laut Ant­wort der Lan­des­re­gie­rung auf eine Klei­ne Anfra­ge der SPD im baye­ri­schen Land­tag, konn­ten wegen der Nicht­er­fül­lung der Zuwen­dungs­kri­te­ri­en bis­lang nur 149.720 Euro abge­ru­fen. Das sind 0,5 Pro­zent der zur Ver­fü­gung ste­hen­den Beträ­ge. Lang­fris­tig wird mit bis zu 70 Mio. Euro pro Jahr kal­ku­liert. Die­se Gel­der wer­den drin­gend benö­tigt: Nach einer Erhe­bung der TU Mün­chen zum Zustand der öffent­li­chen Kana­li­sa­ti­on in Bay­ern zum Stand 2012 wie­sen etwa 14,5 % aller öffent­li­chen Kanä­le in Bay­ern einen Sanie­rungs­be­darf auf. Die Situa­ti­on dürf­te kaum bes­ser gewor­den sein. Es ist unmit­tel­bar ein­leuch­tend, dass ein stei­gen­der Sanie­rungs­be­darf bei sin­ken­den Zuwen­dun­gen zwangs­läu­fig zu stei­gen­den Prei­sen füh­ren muss.

(4) Been­di­gung der Schock­star­re durch Kar­tell­ver­fah­ren: Rück­bli­ckend kann in vie­len Regio­nen ein Nach­ho­len von in der Ver­gan­gen­heit unter­las­se­nen Preis­er­hö­hun­gen fest­ge­stellt wer­den. Auch wenn die Kar­tell­ver­fah­ren zur Preis­sen­kung sich in der jüngs­ten Ver­gan­gen­heit nur auf weni­ge Unter­neh­men beschränkt haben (z.B. Enwag in Hes­sen, Mainz in Rh.-Pfalz, Calw in Baden-Würt­tem­berg oder Wup­per­tal in NRW, Bre­men und Ber­lin), so haben doch sich doch vie­le Ver­sor­ger egal ob auf­grund berech­tig­ter oder unbe­rech­tig­ter Sor­gen für eine Zurück­hal­tung bei den Preis­an­pas­sun­gen ent­schie­den. Sie hat­ten Sor­ge im Ver­gleich mit ande­ren Unter­neh­men der teu­ers­te zu sein, und des­halb vom Lan­des- oder Bun­des­kar­tell­amt auf­ge­grif­fen zu wer­den. Auch wenn Wett­be­werbs­miss­brauch bekämpft gehört, die Was­ser­prei­se müs­sen min­des­tens die Kos­ten decken. So sieht das auch die NRW-Kar­tell­be­hör­de. Wer bei­spiels­wei­se auf die Was­ser­preis­ent­wick­lung in Rhein­land-Pfalz der ver­gan­ge­nen 10 Jah­re schaut, der wird fest­stel­len, dass vie­le Ver­sor­ger ihre Prei­se nur in sehr gro­ßen Zeit­ab­stän­den anpas­sen – auch wenn die Kos­ten schon gestie­gen sein wer­den. Die­se Zurück­hal­tung scheint jetzt auf­ge­ge­ben zu wer­den, auf brei­ter Front wer­den die Prei­se ange­passt.

(5) Zusätz­li­che Anfor­de­run­gen der EU-Trink­was­ser­richt­li­nie: Bis­her hat die Novel­le der EU-Trink­was­ser­richt­li­nie noch kei­nen Ein­fluss auf die Was­ser­wirt­schaft aus­ge­löst, geschwei­ge denn Inves­ti­tio­nen, aber schon jetzt zeich­net sich ab, dass die Ver­sor­ger euro­pa­weit auf­rüs­ten müs­sen. In Kom­mu­ni­ka­ti­ons­in­stru­men­te und die Qua­li­täts­si­che­rung. Ein ver­pflich­ten­der risi­ko­ba­sier­ter Ansatz für alle Was­ser­ver­sor­ger und für die gesam­te Ver­sor­gungs­ket­te soll ein­ge­führt wer­den. Die Mit­glied­staa­ten sol­len Was­ser­kör­per, die für die Ent­nah­me von Trink­was­ser genutzt wer­den, und Haus­in­stal­la­tio­nen einer Risi­ko­be­wer­tung unter­zie­hen. Die Was­ser­ver­sor­ger sol­len eine Risi­ko­be­wer­tung der Was­ser­ver­sor­gung durch­füh­ren. Das wird gera­de klei­ne und mit­tel­gro­ße Ver­sor­ger an die Gren­zen der Leis­tungs­fä­hig­keit brin­gen. Ander­seits scheint die EU-Kom­mis­si­on dafür gute Grün­de zu haben. Aller Wahr­schein­lich­keit nach, wird sie auf­grund der Richt­li­ni­en­kom­pe­tenz die Qua­li­täts­si­che­rung durch­set­zen. Das macht das Trink­was­ser mög­li­cher­wei­se sicher, aber in jedem Fall teu­rer.

(6) Nicht-kos­ten­de­cken­de Ent­gelt­struk­tu­ren: Wenn wie in vie­len Regio­nen Deutsch­land die Nach­fra­ge sinkt oder min­des­tens sta­gniert, dann führt dies bei hohen Men­gen­preis­an­tei­len nahe­zu zwangs­läu­fig zu stei­gen­den Prei­sen, wenn die Kos­ten mit weni­ger Ein­nah­men gedeckt wer­den müss­ten. Es trifft aber wach­sen­de Städ­te, weil dort die Haus­hal­te immer klei­ner wer­den und die Kos­ten je Anschluss stei­gen. Gegen­steu­ern läßt sich nur mit Preis­sys­te­men, die die Kos­ten­struk­tur mög­lichst genau wie­der­ge­ben. Wer mit einem gerin­ge­ren als 20-pro­zen­ti­gen Grund­preis­an­teil stei­gen­de Was­ser­prei­se ver­kün­det, soll­te hin­zu­fü­gen, dass dies am Preis­sys­tem liegt. Daher soll­ten die Preis­sys­te­me nicht nur die „wah­ren Kos­ten“, son­dern auch die „wah­ren Kos­ten­struk­tu­ren“ wie­der­ge­ben, nur so kön­nen funk­tio­nie­ren­de Ver­sor­gungs­sys­te­me und fai­re Was­ser­prei­se ermög­licht wer­den.

Und: Mehr Mut zur offen­si­ven und trans­pa­ren­ten Was­ser­preis­kom­mu­ni­ka­ti­on!

Bevor jetzt das brei­te Kla­gen ein­setzt und die Bür­ger glau­ben, sie wür­den für Was­ser unver­hält­nis­mä­ßig viel bezah­len, soll­te man sach­lich und objek­tiv auf die Fak­ten schau­en. Der Ver­band kom­mu­na­ler Unter­neh­men (VKU) hat vor­ge­rech­net, dass – wenn man den durch­schnitt­li­chen Net­to­lohn ansetzt – ein Bun­des­bür­ger pro Tag genau 1 Minu­te und 30 Sekun­den für sei­ne 121 Liter Trink­was­ser­be­darf und die Lie­fe­rung bis an den Was­ser­hahn arbei­ten muss. Wenn man bedenkt, das Men­schen in ande­ren Welt­re­gio­nen allein für das Holen von Was­ser meh­re­re Stun­den lau­fen müs­sen oder für die Was­ser­lie­fe­rung per Tank­wa­gen meh­re­re Stun­den für einen Liter arbei­ten müs­sen, dann sind die Ver­hält­nis­se sicher rich­tig dar­ge­stellt. Wer sich über ver­meint­lich hohe Was­ser­prei­se in Deutsch­land auf­re­gen will, der soll­te beim nächs­ten Kauf einer Was­ser­fla­sche genau auf den Preis schau­en: für 1 Euro je Liter­fla­sche bekä­me er 500 Liter Lei­tungs­was­ser – frei Haus. Aber es ist jetzt auch an den Was­ser­ver­sor­gern ihre Was­ser­preis­po­li­tik offen­siv zu ver­tre­ten und die Grün­de für die Preis­an­pas­sun­gen nach­voll­zieh­bar und mög­lichst trans­pa­rent dar­zu­stel­len. Die Ver­sor­ger brau­chen eine Kom­mu­ni­ka­ti­ons­po­li­tik, die zeigt, dass Was­ser­prei­se kal­ku­liert und nicht gewür­felt wer­den.

Wei­ter­füh­ren­des:

Erst­mals ver­öf­fent­licht am 11.05.2018 auf lebensraumwasser.com