So haben sich in 30 NRW-Großstädten die Wasserpreise verändert

Was­ser­prei­se in NRW haben stär­ker als in den ver­gan­ge­nen Jah­ren auf die Preis­ent­wick­lung reagiert. Dies ist das Ergeb­nis einer aktu­el­len Unter­su­chung der Was­ser­ta­rif­ent­wick­lun­gen in 30 NRW-Groß­städ­ten zum 1. Juli 2024 im Ver­gleich zu den vor­an­ge­gan­ge­nen zwölf Mona­ten bzw. Vor­jah­ren. In 16 die­ser unter­such­ten Städ­te wur­den seit Jah­res­be­ginn 2024 die Ent­gel­te ange­passt – und das Jahr ist noch nicht rum. Das ist die höchs­te Anzahl an Was­ser­preis­an­pas­sun­gen inner­halb eines Jah­res seit Beginn mei­ner Aus­wer­tun­gen der groß­städ­ti­schen Ent­gel­te im Jah­re 2010. Um rund drei Pro­zent sind die Was­ser­ent­gel­te zwi­schen dem 1. Juli 2024 und dem 1. Juli 2023 im Mit­tel über alle 30 Städ­te ange­stie­gen. Im Mit­tel rund sechs Pro­zent über all jene Städ­te, in denen Anpas­sun­gen statt­ge­fun­den haben. Aber es gibt noch eine gan­ze Rei­he wei­te­rer span­nen­der Ent­wick­lun­gen, wie die nach­fol­gen­den Aus­füh­run­gen zei­gen.

Preisstabilität zugunsten der Erhaltung der Leistungsfähigkeit aufgegeben

Der Hand­lungs­druck und die Preis­dy­na­mik in der Was­ser­ver­sor­gung bei den NRW-Groß­städ­ten wer­den auch durch die fol­gen­den Detail­be­trach­tun­gen deut­lich:

  1. Im Ergeb­nis zah­len die Haus­hal­te in den unter­such­ten NRW-Groß­städ­te im Durch­schnitt über jene Städ­te, in denen in den ver­gan­ge­nen 12 Mona­ten Preis­er­hö­hun­gen statt­ge­fun­den haben, am 1. Juli 2024 rund sechs Pro­zent mehr für ihr Trink­was­ser und die Leis­tun­gen ihres Ver­sor­gers als am 1. Juli 2023. Dabei reicht die Spann­brei­te von einer Preis­sen­kung in Höhe von – 1 Pro­zent bis zu Stei­ge­run­gen um fast 17 Pro­zent bezo­gen auf typi­sche Ver­bräu­che in Ein­fa­mi­li­en­häu­sern. Im Durch­schnitt über alle 30 Groß­städ­te sind die Was­ser­ent­gel­te um rund drei Pro­zent gestie­gen (sie­he Abbil­dung 1).
  2. In kei­nem Jahr seit 2010 wur­den in so vie­len NRW-Groß­städ­ten die Was­ser­ent­gel­te ver­än­dert. In 16 von 30 NRW-Groß­städ­ten müs­sen sich die Haus­hal­te zwi­schen seit dem 1. Janu­ar 2024 an neue Was­ser­ent­gel­te gewöh­nen – und das Jahr ist noch nicht rum.
  3. Wäh­rend in der Ver­gan­gen­heit bei Was­ser die Preis­sta­bi­li­tät einen wich­ti­gen Stel­len­wert zu haben schien, kön­nen die Ver­sor­ger ange­sichts der star­ken Kos­ten­stei­ge­run­gen der ver­gan­ge­nen Jah­re ihre Ent­gel­te nicht mehr unver­än­dert hal­ten. Es gab bis vor kur­zem noch Ver­sor­ger, die zehn Jah­re und mehr Jah­re kei­ne Preis­stei­ge­run­gen vor­ge­nom­men hat­ten. Auch die­se haben in die­sem Jahr an der Preis­schrau­be gedreht. So wur­den sogar in einer Groß­stadt erst­ma­lig nach 19 Jah­ren die Was­ser­prei­se erhöht – so stieg der Grund­preis um statt­li­che 50 Pro­zent.
  4. Ein Umden­ken scheint auch bei der Peri­odi­zi­tät der Preis­an­pas­sun­gen statt­zu­fin­den, wie ich von immer mehr Ver­sor­gern höre. Ange­sichts des Kos­ten­drucks der ver­gan­ge­nen Jah­re wol­len sie die Belas­tun­gen kurz­fris­ti­ger an ihre Kun­den wei­ter­ge­ben. Das zeigt sich bereits in der Ent­wick­lung der Abstän­de zwi­schen den ein­zel­nen Anpas­sun­gen. Die­se sind von im Mit­tel 4 Jah­re bis zur nächs­ten Preis­er­hö­hung in 2021, auf nun­mehr 3,4 Jah­re gesun­ken. Getrie­ben auch durch die infla­ti­ons­be­dingt über­pro­por­tio­nal hohen Kos­ten­an­stie­ge haben 18 Ver­sor­ger in den ver­gan­ge­nen drei Jah­ren min­des­tens ein­mal die Prei­se ange­passt.
  5. Bis­her fan­den die Preis­an­pas­sun­gen vor­wie­gend zum Jah­res­wech­sel statt. Seit dem Jahr 2013 nimmt die Anzahl der unter­jäh­ri­gen Maß­nah­men zu. Damit reagie­ren die Ver­sor­ger ins­be­son­de­re auf eine in Fol­ge des zurück­lie­gen­den Jah­res­ab­schlus­ses aktu­el­le­re Pla­nungs­grund­la­ge für die Preis­kal­ku­la­ti­on. Ver­ein­zelt wird so auch auf Ver­gleichs­wer­te ande­rer Städ­te reagiert.
Abbil­dung 1 – Durch­schnitt­li­che Haus­halts-Was­ser­kos­ten in NRW-Groß­städ­ten (Gra­fik: Gen­d­ries)

Preissystem-Umstellungen als Reaktion auf veränderte Rahmenbedingungen

Die Was­ser­ver­sor­ger reagie­ren nicht allein mit­tels Preis­er­hö­hun­gen auf die sich ändern­den Rah­men­be­din­gun­gen. Immer öfter wird der stra­te­gi­sche Fokus auf das Preis- bzw. Abrech­nungs­sys­tem gerich­tet und eine Anpas­sung oder Umstel­lung voll­zo­gen. Die­se Fest­stel­lung kann mit den fol­gen­den Ergeb­nis­se unter­mau­ert wer­den:

  1. Wäh­rend frü­her in den NRW-Groß­städ­ten die „klas­si­sche“ linea­re Kom­bi­na­ti­on von zäh­ler­be­zo­ge­nem jähr­lich fes­tem Grund­preis und varia­blem Men­gen­preis die Was­ser­rech­nun­gen domi­nier­te, stie­ßen ins­be­son­de­re mit der Ein­füh­rung des Sys­tem­preis­mo­dells durch die RWW u.a. in Mülheim/R. im Jahr 2012 neue Preis­sys­te­me auf gro­ßes Inter­es­se. So fand das wohn­ein­hei­ten­be­zo­ge­ne Sys­tem­preis­mo­dell auch des­halb so viel Anklang, weil damit unter ande­rem mehr Ver­ur­sa­chungs­ge­rech­tig­keit und dank höhe­rem Grund­preis­an­teil eine höhe­re Erlös­sta­bi­li­tät ver­bun­den waren. Mitt­ler­wei­le wer­den in sechs der NRW-Groß­städ­te der­ar­ti­ge Sys­tem­prei­se erho­ben. Auch Staf­fel­prei­se haben ihre Anhän­ger gefun­den. Seit Jah­res­be­ginn gilt ein sol­cher Men­gen­staf­fel-Grund­preis bei­spiels­wei­se in Hagen. Dort ergab sich eine Ver­schie­bung zuguns­ten der bis­her eher benach­tei­lig­ten Ein­fa­mi­li­en­häu­ser. Viel­fach wird den Staf­fel­prei­sen auch eine Anreiz­wir­kung zum Was­ser­spa­ren bei­gemes­sen. Eine Erwar­tungs­hal­tung die sich aus einer Rei­he von Grün­den zuneh­mend als Irr­tum her­aus­stellt. Dar­auf wer­de ich in einem spä­te­ren Bei­trag ein­ge­hen.
  2. Wäh­rend im Jahr 2010 in 25 der 30 Groß­städ­te die „klas­si­schen“ Preis­sys­te­me gal­ten, geht der Trend zu Preis­sys­te­men, die deut­lich dif­fe­ren­zier­ter die loka­len struk­tu­rel­len Rah­men­be­din­gun­gen berück­sich­ti­gen und aus­ge­wo­ge­ne­re Kos­ten­ver­tei­lun­gen ermög­li­chen. Daher sind die „klas­si­schen“ Preis­sys­te­me vier­zehn Jah­re spä­ter nur noch in 15 Groß­städ­ten vor­zu­fin­den.
  3. Der Wan­del bei den Preis­sys­te­men drückt sich auch in einer ande­ren Ent­wick­lung aus: Was­ser­ver­sor­ger sind bekannt­lich mit hohen Fix­kos­ten kon­fron­tiert, gleich­zei­tig sind die Erlö­se im hohen Maße varia­bel, da sie vom Was­ser­ver­brauch der Kun­den abhän­gen. Das führt trotz stei­gen­der Prei­sen zu wirt­schaft­li­chen Unsi­cher­hei­ten bei schwan­ken­den oder gar rück­läu­fi­gen Absatz­men­gen. Im Hin­blick eine erfor­der­li­che höhe­re Pla­nungs­si­cher­heit, stel­len Ver­sor­ger auf Preis­sys­te­me mit höhe­ren Grund­preis- bzw. Sys­tem­preis­an­tei­len um oder erhö­hen schritt­wei­se ihre Grund­preis­an­tei­le­um, um die Erlös­ab­hän­gig­keit vom Was­ser­ab­satz zu redu­zie­ren. Noch vor 15 Jah­ren lag in den NRW-Groß­städ­ten der fes­te Grund- oder Sys­tem­preis­an­teil für typi­sche Ein­fa­mi­li­en­häu­ser bei durch­schnitt­lich 32 Pro­zent, mitt­ler­wei­le sind es 39 Pro­zent. Davon pro­fi­tie­ren letzt­end­lich auch die Was­ser­kun­den, wenn die Prei­se unge­ach­tet einer sich ver­än­dern­den Was­ser­nach­fra­ge sta­bil blei­ben kön­nen.
  4. Auch bei den Preis­stei­ge­run­gen ste­hen die Grund­prei­se zuneh­mend im Vor­der­grund. So sind die­se im Ver­gleich zum Vor­jah­res­mo­nat bei Ein­fa­mi­li­en­häu­sern in 16 Städ­ten (trotz einer Sen­kung) um durch­schnitt­lich 10,4 Pro­zent ange­stie­gen, wäh­rend der Anstieg bei den Men­gen­prei­sen in 12 Städ­ten (einschl. einer umstel­lungs­be­ding­ten Men­gen­preis-Sen­kung) nur 5,5 Pro­zent betrug.
Abbil­dung 2 – In der Unter­su­chung betrach­te­te 30 NRW-Groß­städ­te

Ein „gewagter“ Ausblick

Wie die Bei­spie­le zei­gen, ist Bewe­gung in die Was­ser­preis­land­schaft in NRW gekom­men. Das gilt nicht nur für die hier beschrie­be­nen 30 Groß­städ­te. Da in NRW die Stadt­wer­ke als Mehr­spar­ten­un­ter­neh­men in den Städ­ten mehr­heit­lich die Was­ser­ver­sor­gung betrei­ben, wirkt sich der Wett­be­werbs- und Ergeb­nis­druck aus den ener­gie­wirt­schaft­li­chen Spar­ten zwangs­läu­fig auf den Was­ser­be­reich aus. Hin­zu kommt, dass die kom­mu­na­len Gesell­schaf­ter auf Divi­den­den­zah­lun­gen nicht ver­zich­ten wol­len. Die infol­ge der Infla­ti­on stark gestie­ge­nen Beschaf­fungs­prei­se und die erfor­der­li­chen Inves­ti­tio­nen für mehr Kli­ma­re­si­li­enz und Cyber­si­cher­heit konn­ten die Was­ser­ver­sor­ger auch trotz größ­ter Anstren­gun­gen nicht kom­pen­sie­ren. Die­se Ent­wick­lung muss­te zwangs­läu­fig in Preis- und Gebüh­ren­stei­ge­run­gen mün­den. Das wird aber nicht das Ende der Fah­nen­stan­ge sein. So hat NRW‘s Umwelt­mi­nis­ter Olaf Kri­scher zum Auf­takt der Lan­des­was­ser­stra­te­gie die Was­ser­ver­sor­ger in NRW ermun­tert, stär­ker in ihre Netz­in­fra­struk­tur zu inves­tie­ren und ihre Sys­te­me kli­ma­re­si­li­en­ter zu gestal­ten.

Abbil­dung 3 Impuls des nie­der­säch­si­schen Umwelt­mi­nis­ters für „dyna­mi­sche Was­ser­prei­se“
Q: ZfK v. 28.6.2024

Auch struk­tu­rel­le Ent­wick­lun­gen bei den Was­ser­ent­gel­ten sind abseh­bar. So hat der nie­der­säch­si­sche Umwelt­mi­nis­ter Chris­ti­an Mey­er für die Erar­bei­tung des „Mas­ter­plan Was­ser“ soge­nann­te „dyna­mi­sche Was­ser­prei­se“ ins Spiel gebracht, um die Nach­fra­ge­spit­zen in den Som­mer­mo­na­ten mit höhe­ren Prei­sen mög­lichst zu dämp­fen. Auch ande­re Bun­des­län­der den­ken in die­se Rich­tung. Das wäre ein wei­te­rer wich­ti­ger Ent­wick­lungs­schritt bei der ver­ur­sa­chungs­ge­rech­ten und kos­ten­de­cken­den Gestal­tung der Was­ser­ent­gel­te. Die Vor­aus­set­zung hier­für sind fern­aus­les­ba­re Funk­was­ser­zäh­ler. Der Blick auf die Ener­gie­wirt­schaft zeigt, wie schwer und lang der Weg hin zu die­sem Ent­wick­lungs­schritt noch sein könn­te. Wenn die Poli­tik die rich­ti­gen Leit­plan­ken bie­tet, bleibt das Niveau der Was­ser­ver­sor­gung auf hohem Niveau und die Was­ser­ta­ri­fe kos­ten­de­ckend und fair.

Abbil­dung 4 – Ent­wick­lung der Prei­se und Gebüh­ren für die Was­ser­ver­sor­gung und der Infla­ti­ons­ra­te 2005 bis 2023 in Deutsch­land – Indi­ces (2005 = 100) – Q: Destatis/BDEW

Methodik

Seit mehr als zehn Jah­ren erfas­se und unter­su­che ich Was­ser­ent­gel­te und deren Ver­än­de­run­gen und Dyna­mi­ken sowie die zugrun­de­lie­gen­den Trei­ber­fak­to­ren. Die Erkennt­nis­se flie­ßen ein unse­re gemein­sa­men Was­ser­preis-Bera­tungs­pro­jek­te.

In NRW erfolgt die Ana­ly­se maß­geb­lich bei 30 Groß­städ­ten mit mehr als 100.000 Ein­woh­nern (Stand 2018) zu jeweils drei Stich­ta­gen im Jahr. Bei den vor­ste­hend genann­ten Ver­brauchs­fäl­len han­delt es sich um ein Ein­fa­mi­li­en­haus-Haus­halt mit 150 Kubik­me­tern und um einen Haus­halt in einem Drei­fa­mi­li­en­haus mit 120 Kubik­me­tern jähr­li­cher Was­ser­ab­nah­me, zwei der bran­chen­üb­li­chen soge­nann­ten „Typ­fäl­le“. In der Ana­ly­se wer­den auch zwei Städ­te berück­sich­tigt, die Gebüh­ren anstel­le von Prei­sen erhe­ben.

Zweiter Brief aus Kapstadt: Preisliche Anreize balancierten vielfältige Ziele aus

Theewaterskloof-Damm im März 2024

Einer unse­rer Was­ser­prei­spor­tal-Autoren, Prof. Dr. Mark Oel­mann, war für einen For­schungs­auf­ent­halt in Kap­stadt. Ein Ziel sei­ner drei­mo­na­ti­gen Mis­si­on nach Süd­afri­ka war der fach­li­che Aus­tausch zu Erfah­run­gen und Kon­zep­ten zur Was­ser­nach­fra­gelen­kung bei Was­ser­stress. Die­sen erleb­ten die Kap­städ­ter bekannt­lich in den Jah­ren 2017/18 als der „Day Zero“ droh­te – der Tag ohne Was­ser. In nach­fol­gen­dem „Brief aus Kap­stadt“ beschreibt er sei­ne gewon­ne­nen Erkennt­nis­se.

„In mei­nem letz­ten Brief habe ich die Bedro­hungs­la­ge Kap­stadts in Fol­ge aus­blei­ben­der Nie­der­schlä­ge beschrie­ben. Zwi­schen 2014 und 2017 reg­ne­te es weit unter­durch­schnitt­lich, gleich­zei­tig schaff­te man es nicht hin­rei­chend schnell, aus­rei­chend alter­na­ti­ve Was­ser­quel­len zu erschlie­ßen. Nach­fra­ge­sei­tig muss­te etwas gesche­hen: Mit einer Kom­bi­na­ti­on aus Infor­ma­ti­on, posi­ti­ver Moti­va­ti­on, der öffent­li­chen Bekannt­ma­chung von Was­ser­ver­schwen­dern, Druck­ver­min­de­rung in den Net­zen, inno­va­ti­ven Preis­mo­del­len, Moni­to­ring und Sank­tio­nen schaff­te man es tat­säch­lich, die Nach­fra­ge um gut 55 % zu ver­rin­gern. Ein tat­säch­lich beein­dru­cken­der Wert! Und den­noch blieb es bis zum Schluss span­nend, ob der sog. „Day Zero“ Mit­te April 2018 nicht doch ein­trat. Dann näm­lich wäre die Ver­sor­gung über die kom­mu­na­len Net­ze aus­ge­setzt wor­den und Bür­ger hät­ten sich mit­tels Kanis­tern bis zu 25 l pro Per­son und Tag an 200 Aus­ga­be­stel­len im Stadt­ge­biet abho­len müs­sen.

Im Ergeb­nis wur­de alles gut: Nie­der­schlä­ge fie­len wie­der und die Pegel der Tal­sper­ren, aus denen zu die­ser Zeit über 90 % des Trink­was­sers gewon­nen wur­de, stie­gen. Bin­nen der nächs­ten 10 Jah­re wer­den fol­ge­rich­tig nun die Gewin­nungs­quel­len diver­si­fi­ziert (Meer­was­ser­ent­sal­zung, Water Reu­se, Grund­was­ser­för­de­rung…). Dies soll uns nun aber aktu­ell hier weni­ger inter­es­sie­ren. Mei­nen Fokus will ich auf das Instru­ment der preis­li­chen Anrei­ze legen, die genutzt wur­den, um Was­ser­nach­fra­ge zu ver­min­dern. Ich möch­te Sie und Euch mit hin­ein­neh­men in die Über­le­gun­gen, wett­strei­ten­den Inter­es­sen und final getrof­fe­nen poli­ti­schen Ent­schei­dun­gen.

1. Kapstadt hat ein immenses Armutsproblem – Wasser blieb für Bedürftige kostenfrei

Der sog. Gini-Koef­fi­zi­ent ist das Maß, mit Hil­fe des­sen Län­der hin­sicht­lich ihrer Ein­kom­mens- oder Ver­mö­gens­ver­tei­lung ver­gli­chen wer­den. Der Wert kann dabei zwi­schen 0 (abso­lu­te Gleich­ver­tei­lung) und 1 (abso­lu­te Ungleich­ver­tei­lung) lie­gen. In die­sem Ran­king weist die Slo­wa­kei mit 0,23 die größ­te Gleich­ver­tei­lung aller Län­der auf, für Deutsch­land wird ein Wert von 0,31 aus­ge­wie­sen und Süd­afri­ka bil­det das welt­wei­te Schluss­licht mit 0,63. Hin­zu kommt eine Erwerbs­lo­sen­quo­te von gut 28 % und eine Jugend­ar­beits­lo­sig­keit von nahe­zu 50 % (2022, desta­tis).

Nun hat Süd­afri­ka zwei „Arten von Armen“. Die Einen leben in infor­mel­len Sied­lun­gen. Hier wer­den die Men­schen über kom­mu­na­le Zapf­stel­len ver­sorgt. Die Abga­be wur­de men­gen­mä­ßig beschränkt, blieb aber über die gesam­te Zeit der Was­ser­kri­se hin­durch kos­ten­frei. Glei­ches galt für die zwei­te Grup­pe: Wur­de jemand als bedürf­tig aner­kannt (Monats­ein­kom­men von unter 3500 Rand = ca. 238 € [Wech­sel­kurs per März 2018]), erhielt die­ser Anschluss 10,5 m³ pro Monat (dies ent­spricht 50 l pro Per­son und Tag bei einer unter­stell­ten Haus­halts­grö­ße von 7 Per­so­nen [Durch­schnitts­ge­brauch in Deutsch­land rd. 125 l]) eben­falls umsonst. Über die­se Men­ge hin­aus muss­ten auch bedürf­ti­ge Haus­hal­te die nor­ma­len Was­ser­prei­se zah­len.

2. Für Nicht-Bedürftige wurden die Freimengen gestrichen

Vor der Kri­se erhielt jeder Haus­halt, unab­hän­gig von Ein­kom­men oder Ver­mö­gen, 6 m³ pro Monat kos­ten­frei. Dies wur­de 2017 für alle Haus­hal­te, die eine Bedürf­tig­keit nicht nach­wei­sen konn­ten, ersatz­los gestri­chen.

3. Preise veränderten sich in Abhängigkeit der Füllstände der Staudämme

Kap­stadt bezog den Groß­teil sei­nes Trink­was­ser aus Roh­was­ser aus Stau­däm­men. Aus­blei­ben­der Regen führ­te wie beschrie­ben zu sin­ken­den Pegel­stän­den, was die Was­ser­kri­se her­vor­rief. Kon­se­quen­ter­wei­se wur­den die Prei­se an die Pegel­stän­de gekop­pelt. Die unten­ste­hen­de Abbil­dung zeigt, dass zum 01.01.2016 auf das Level 2, zum 01.11.2016 auf das Level 3 und zum 01.02.2018 auf das Level 6 umge­schal­tet wur­de. Was hieß das kon­kret? Ein Haus­halt bezahl­te dem­nach ab dem 1.2.2018 bei einem Ver­brauch von mehr als 10,5 m³ pro Monat (=10.500 l) ca. 7,80 €/m³ und bei mehr als 35,0 m³ pro Monat sogar 68,- €/m³ (zum Ver­gleich: rd. 10,5 m³ pro Monat ver­braucht auch ein dt. Ein­fa­mi­li­en­haus).

In Kap­stadt sprach man vom „puni­ti­ve pri­cing“, der „bestra­fen­den Beprei­sung“. Die­ser sehr hohen Nach­fra­ge – etwa zur Pool­be­fül­lung oder exzes­si­ven Gar­ten­be­wäs­se­rung – soll­te also maxi­mal begeg­net wer­den. Aber auch in den unte­ren Ver­brauchs­klas­sen waren die Belas­tungs­sprün­ge pro m³ beträcht­lich. In Stu­fe 2 erhöh­ten sich die Prei­se pro m³ zwi­schen Level 1 und Level 6 um 525 %
auf umge­rech­net 3,15 €/m³ und in Stu­fe 3 um nahe­zu 800 % auf 6,85 €/m³.

Abb. 1: Was­ser­prei­se für Haus­halt­kun­den in Kap­stadt
Quel­le: City of Cape­town (2018) mit eige­nen Ergän­zun­gen

 

Und wie ent­wi­ckel­ten sich die Prei­se für Indus­trie, Gewer­be, öffent­li­che Ein­rich­tun­gen etc.? Hier­auf gibt die fol­gen­de Abbil­dung eine Ant­wort.

Abb. 2: Was­ser­prei­se für Indus­trie, Gewer­be, öffentl. Ein­richt. etc. in Kap­stadt
Quel­le: City of Cape­town (2018) mit eige­nen Ergän­zun­gen

Schein­bar soll­ten die Nicht-Haus­halts­kun­den nicht „ver­prellt“ wer­den. Ihre Prei­se ver­dop­pel­ten sich wohl auch zwi­schen Level 1 und Level 6 auf dann 3,06 €/m³ – ähn­lich dem Level 6‑Preis der Stu­fe 2 bei den Haus­halts­kun­den mit 3,15 €/m³. Wäh­rend man folg­lich in „Nor­mal­jah­ren“ der Idee der Incre­asing Block Tariffs folgt und Nicht-Haus­halts­kun­den höher als Haus­halts­kun­den in unte­ren Nach­fra­ge­seg­men­ten belas­tet, schont man die­se in die­sen Not­zei­ten mehr.

Und heu­te? Die Prei­se haben sich sowohl in Höhe als auch Struk­tur wie­der in Rich­tung frü­he­rer Gege­ben­hei­ten zurück­ent­wi­ckelt. Die Prei­se für Nicht­haus­halts­kun­den lie­gen mit 38 Rand pro m³ (= 1,85 €) wie­der signi­fi­kant über den 21 Rand/m³ (= 1,02 €/m³) für die unters­te Nach­fra­ge­men­ge bei Haus­halts­kun­den. Inter­es­sant ist Fol­gen­des: Durch die zurück­ge­hen­de Nach­fra­ge ver­rin­ger­ten sich die Ein­nah­men des Was­ser­ver­sor­gers. In Kom­bi­na­ti­on mit dem anste­hen­den höhe­ren Inves­ti­ti­ons­be­darf wur­de das Ziel der Erlös­sta­bi­li­sie­rung bedeut­sa­mer. In Fol­ge des­sen wur­de Mit­te Mai 2018 nur vier Wochen nach Errei­chen des Höhe­punkts der Ver­sor­gungs­kri­se ein fixer Sys­tem- oder Grund­preis als wei­te­re Preis­mo­dell­kom­po­nen­te ein­ge­führt. So anders sind die Dis­kus­sio­nen in Deutsch­land und Süd­afri­ka dann doch nicht…“

Quellen:

Bei­trags­fo­to: Thee­wa­ter­s­kloof-Damm März 2024 (Oel­mann)

Der Stoff aus dem die Energiewende gemacht wird … und warum der Weg zu Wasserpreisen gar nicht weit ist

Der­zeit wird kaum eine poli­ti­sche Rede zur Ener­gie­wen­de und ‑sicher­heit für den Indus­trie­stand­ort Deutsch­land gehal­ten, in der nicht die zen­tra­le Bedeu­tung von Was­ser­stoff und sei­ner Deri­va­te her­vor­ge­ho­ben wird. Schon vie­le Tech­no­lo­gien und Ener­gie­quel­len muss­ten als „Heils­brin­ger“ her­hal­ten, aber die­ses Mal scheint das Wun­der­mit­tel wirk­lich gefun­den zu sein. Und tat­säch­lich hat Was­ser­stoff viel Poten­ti­al und punk­tet vor allem durch CO2-freie Ver­bren­nung, gute Spei­cher­fä­hig­keit und der Mög­lich­keit zur grü­nen Erzeu­gung durch Erneu­er­ba­re Ener­gien. „Was­ser­stoff“ ist nicht nur aus ener­gie­wirt­schaft­li­cher Sicht von Bedeu­tung, unter bestimm­ten Umstän­den kann dies auch für die loka­le Was­ser­ver­sor­gung und deren Was­ser­prei­se gel­ten.

Nationale Wasserstoffstrategie

Gemäß der Natio­na­len Was­ser­stoff­stra­te­gie in der fort­ge­schrie­be­nen Fas­sung vom Juli 2023 sind ab 2030 Was­ser­stoff­im­por­te von min­des­tens 45 TWh zur Deckung des deut­schen Bedarfs erfor­der­lich. [1] Die­se Men­gen sol­len einer­seits über bestehen­de bzw. neu zu errich­ten­de Pipe­lines und ande­rer­seits per Schiff nach Deutsch­land impor­tiert wer­den. Gleich­zei­tig soll die hei­mi­sche Elek­tro­ly­se­ka­pa­zi­tät für grü­nen Was­ser­stoff mas­siv aus­ge­baut wer­den: Bis 2030 soll die­se von bis­her geplan­ten 5 GW auf min­des­tens 10 GW ver­dop­pelt wer­den, um die Bedarfs­de­ckung mit kur­zen Trans­port­we­gen zu sichern. Wer­den hier­bei 4.000 Voll­last­stun­den und ein durch­schnitt­li­cher Wir­kungs­grad der Elek­tro­ly­se­an­la­gen von 70 Pro­zent unter­stellt [2], ergibt sich eine hei­mi­sche Pro­duk­ti­on von 28 TWh. Als Rück­grat der inlän­di­schen Erzeu­gung gilt der par­al­le­le mas­si­ve Aus­bau der Erneu­er­ba­ren Ener­gien. In dem Zuge wird – wie nicht anders zu erwar­ten – auf die Not­wen­dig­keit schnel­le­rer Pla­nungs- und Geneh­mi­gungs­ver­fah­ren und den Abbau unnö­ti­ger Büro­kra­tie ver­wie­sen.

Fehlender Blick für Wasser

Eines aber fällt bei nähe­rer Aus­ein­an­der­set­zung mit den Zie­len und Maß­nah­men der Stra­te­gie auf: Der Was­ser­be­darf wird so gut wie gar nicht erwähnt. Der ein­zi­ge Hin­weis fin­det sich buch­stäb­lich auf der letz­ten Sei­te der Natio­na­len Was­ser­stoff­stra­te­gie aus dem Jahr 2020. Dort heißt es in Maß­nah­me 37: „Zudem darf die nach­hal­ti­ge Was­ser­ver­sor­gung in teil­wei­se ari­den Regio­nen die­ser Län­der nicht durch die Erzeu­gung von Was­ser­stoff beein­träch­tigt wer­den.“ Hier geht es aller­dings um die Erzeu­gung von Was­ser­stoff außer­halb Deutsch­lands. Die inlän­di­sche Was­ser­ver­sor­gung wird offen­sicht­lich nicht erwähnt, dabei steckt „Was­ser“ doch eigent­lich in „Was­ser­stoff“ – seman­tisch wie che­misch. Wäre es nicht sinn­voll, Was­ser stär­ker mit­zu­den­ken?

Eine Unter­su­chung des DVGW kommt zu dem Schluss, dass der Was­ser­be­darf für grü­nen Was­ser­stoff im Ver­gleich zu der Nach­fra­ge ande­rer Nut­zer­grup­pen nur sehr gering ist. Wäh­rend die Was­ser­pro­duk­ti­on der öffent­li­chen Was­ser­ver­sor­gung in 2019 bei 5,4 Mrd. m³ lag, wür­de eine Elek­tro­ly­se­ka­pa­zi­tät von 10 GW bei unter­stell­ten 2.500 Voll­last­stun­den weni­ger als 0,01 Mrd. m³ Süß­was­ser benö­ti­gen. Dane­ben ist vor­ge­se­hen, dass ca. ein Drit­tel der Elek­tro­ly­seu­re off­shore oder in Küs­ten­nä­he gebaut wer­den, sodass ent­salz­tes Meer­was­ser genutzt wer­den könn­te. Dies wür­de den Süß­was­ser­be­darf wei­ter redu­zie­ren. Nut­zungs­kon­flik­te wären daher laut Aus­sa­ge des DVGW ver­meid­bar und die Was­ser­res­sour­cen wür­den aus­rei­chen, um den Was­ser­be­darf für Elek­tro­ly­se in Deutsch­land zu decken. [3] Dabei ist jedoch zu berück­sich­ti­gen, dass bei der Was­ser­stoff­pro­duk­ti­on in gro­ßen Anla­gen erheb­li­che Men­gen an Wär­me frei­ge­setzt und enor­me Kühl­was­ser­men­gen erfor­der­lich wer­den. Dar­auf weist der DVGW zwar hin, die o. g. Wer­te bezie­hen sich jedoch nur auf den Was­ser­be­darf für den Was­ser­stoff an sich. Und neben der Ver­füg­bar­keit von Was­ser sind auch noch wei­te­re Stand­ort­fak­to­ren rele­vant.

Standortfaktoren erfolgreicher Wasserstoffproduktion

»Da stel­le me uns e mal janz dumm. Watt is en Dampf­ma­schin?« Das Dampf­ma­schi­nen­zeit­al­ter ist glück­li­cher­wei­se vor­bei, aber das „Dumm­stel­len“ kann manch­mal hilf­reich sein, um die gro­ßen Zusam­men­hän­ge nicht aus dem Blick zu ver­lie­ren. Fol­gen­de Stand­ort­fak­to­ren sind für eine erfolg­rei­che Was­ser­stoff­pro­duk­ti­on von Bedeu­tung:

  • Die Mög­lich­keit zur Ent­nah­me von Was­ser – sowohl für den Was­ser­stoff an sich als auch zu Kühl­zwe­cken wäh­rend sei­ner Erzeu­gung (insb. letz­te­res wird häu­fig mas­siv unter­schätzt).
  • Die Mög­lich­keit zur Abwas­ser­ein­lei­tung (neben der Salz­fracht ist insb. die hohe Tem­pe­ra­tur des Abwas­sers pro­ble­ma­tisch, die bis zu 15 °C über der­je­ni­gen des Roh­was­ser lie­gen kann).
  • Zugang zu „grü­nem“ Strom (EE vor Ort oder EE-Anbin­dung über Strom­tras­sen).
  • Was­ser­stoff­ab­neh­mer vor Ort (Indus­trie­pro­zes­se mit sehr hohem Tem­pe­ra­tur­be­darf [z. B. Stahl- oder Glas­her­stel­lung] oder Nut­zung für Ver­kehr [z. B. Bus- oder Lkw-Flot­ten]).
  • Alter­na­tiv: Ent­spre­chen­de Infra­struk­tur, um den Was­ser­stoff zu den Nut­zern zu trans­por­tie­ren (Pipe­line bzw. Straßen‑, Schie­nen- oder Was­ser­stra­ßen­an­bin­dung).

Die Auf­zäh­lung zeigt, dass für einen opti­ma­len Stand­ort der Was­ser­stoff­er­zeu­gung vie­le Vor­aus­set­zun­gen erfüllt sein müs­sen. Es lohnt sich daher, dezen­tral und inno­va­tiv zu den­ken und dabei vor allem den Was­ser­be­darf nicht aus dem Blick zu ver­lie­ren.

Beitrag von Wasserversorgern

Was­ser­ver­sor­ger ver­ste­hen sich häu­fig als „Umwelt­un­ter­neh­men“ und so dürf­ten vie­le von ihnen bereit sein, die Ener­gie­wen­de im Rah­men ihrer Mög­lich­kei­ten durch die Bereit­stel­lung von Was­ser für die Was­ser­stoff­er­zeu­gung zu unter­stüt­zen. Dabei muss natür­lich die loka­le Situa­ti­on berück­sich­tigt wer­den, in Was­ser­man­gel­ge­bie­ten dürf­ten Elek­tro­ly­seu­re eher fehl am Platz sein. Soweit es die loka­len Roh­was­ser­res­sour­cen jedoch erlau­ben, kann die Was­ser­lie­fe­rung an Betrei­ber von Elek­tro­ly­se­an­la­gen eine win-win-win-Situa­ti­on dar­stel­len. Wie das gehen soll?

Stel­len wir uns einen Was­ser­ver­sor­ger vor, der in den ver­gan­ge­nen Jah­ren erheb­li­che Rück­gän­ge bei der Was­ser­nach­fra­ge zu ver­zeich­nen hat­te, z. B. durch demo­gra­fi­schen Wan­del oder das Weg­bre­chen gro­ßer Indus­trie­pro­duk­ti­on. Die Über­ka­pa­zi­tä­ten bei Anla­gen und Net­zen ver­ur­sa­chen hohe Kos­ten, denen ange­sichts sin­ken­der Nach­fra­ge immer gerin­ge­re Erlö­se gegen­über­ste­hen. Sind die Stand­ort­fak­to­ren für eine Was­ser­stoff­er­zeu­gung in sei­ner Nähe güns­tig, könn­te er einem poten­ti­el­len Betrei­ber die Lie­fe­rung von Trink­was­ser anbie­ten. Der Betrei­ber könn­te somit auf hohe Inves­ti­tio­nen in Gewin­nungs- und Auf­be­rei­tungs­an­la­gen ver­zich­ten. Und viel­leicht lie­ße sich die Koope­ra­ti­on auch noch wei­ter den­ken, indem der Ver­sor­ger sein Know-how bei der Was­ser­auf­be­rei­tung zur Ver­fü­gung stellt, denn das Trink­was­ser muss vor Ver­wen­dung noch zu Reinst­was­ser auf­be­rei­tet wer­den. Eine Zusam­men­ar­beit wür­de – bei sinn­vol­ler Aus­ge­stal­tung der Prei­se – nen­nens­wer­te Deckungs­bei­trä­ge gene­rie­ren, mit deren Hil­fe Preis­stei­ge­run­gen für die pri­va­ten Was­ser­kun­den ver­mie­den oder zumin­dest erheb­lich redu­ziert wer­den könn­ten. Damit par­ti­zi­piert auch die Bevöl­ke­rung an der Ener­gie­wen­de, was – dar­auf deu­ten vie­le Stu­di­en hin ­– ein zen­tra­ler Akzep­tanz­bau­stein ist. Mög­li­cher­wei­se lie­ße sich noch grö­ße­rer Mehr­wert für die Kom­mu­ne schaf­fen, indem die EE-Anla­gen zur Erzeu­gung des grü­nen Stroms für die Was­ser­stoff­er­zeu­gung mit Bür­ger­be­tei­li­gung rea­li­siert wür­den.

Auf das richtige Preismodell kommt es an

Natür­lich soll­te der Was­ser­ver­sor­ger sich Gedan­ken über das Preis­mo­dell machen, das er sei­nem neu­en Kun­den anbie­tet. Von Bedeu­tung ist, dass er nicht nur Was­ser lie­fert, son­dern auch die Infra­struk­tur vor­hält. Das Preis­mo­dell soll­te des­halb auch einen hohen Anteil fixer Erlö­se beinhal­ten, um das Risi­ko für den Was­ser­ver­sor­ger so gering wie mög­lich zu hal­ten, denn mög­li­cher­wei­se muss er auch Inves­ti­tio­nen täti­gen, z. B. in neue Druck­erhö­hungs­an­la­gen oder Lei­tungs­ab­schnit­te. Gleich­zei­tig schwankt die Was­ser­nach­fra­ge im Zeit­ab­lauf: Feh­len Wind und Son­nen­schein über einen län­ge­ren Zeit­raum, wird kein Was­ser­stoff erzeugt und daher auch kein Was­ser nach­ge­fragt. Die Aus­las­tung der Kapa­zi­tä­ten wird folg­lich nicht gleich­ver­teilt sein, was eben­falls in der Beprei­sung abge­bil­det sein soll­te. Am Ende lan­det man also tat­säch­lich wie­der bei Was­ser­prei­sen…

 

Quellen

[1] Die Bun­des­re­gie­rung (2023): „Fort­schrei­bung der Natio­na­len Was­ser­stoff­stra­te­gie“

[2] Die Bun­des­re­gie­rung (2020): „Die Natio­na­le Was­ser­stoff­stra­te­gie“

Bei­de Doku­men­te sind abruf­bar unter: https://www.bmbf.de/bmbf/de/forschung/energiewende-und-nachhaltiges-wirtschaften/nationale-wasserstoffstrategie/nationale-wasserstoffstrategie_node.html

[3] DVGW (2023): „Genü­gend Was­ser für die Elek­tro­ly­se – Wie viel Was­ser wird für die Erzeu­gung von grü­nem Was­ser­stoff benö­tigt und gibt es aus­rei­chen­de Res­sour­cen?“ (https://www.dvgw.de/medien/dvgw/leistungen/publikationen/h2o-fuer-elektrolyse-dvgw-factsheet.pdf)

Erster Brief aus Kapstadt: Wie Kapstadt den Day-Zero bei der Wasserversorgung verhinderte

Theewaterskloof-Damm im März 2024

Einer unse­rer Was­ser­prei­spor­tal-Autoren, Prof. Dr. Mark Oel­mann, hält sich zur Zeit in Kap­stadt auf. Ein Ziel sei­ner drei­mo­na­ti­gen Mis­si­on nach Süd­afri­ka ist der fach­li­che Aus­tausch zu Erfah­run­gen und Kon­zep­ten zur Was­ser­nach­fra­gelen­kung bei Was­ser­stress. Die­sen erleb­ten die Kap­städ­ter bekannt­lich in den Jah­ren 2017/18 als der „Day Zero“ droh­te – der Tag ohne Was­ser. In nach­fol­gen­dem „Brief aus Kap­stadt“ beschreibt er sei­ne gewon­ne­nen Erkennt­nis­se.

„In den ver­gan­ge­nen Jah­ren war ich in Was­ser­fra­gen in vie­len außer­eu­ro­päi­schen Län­dern – ins­be­son­de­re in Afri­ka und im Nahen Osten – bera­tend tätig. Nicht von unge­fähr wer­de ich nun auch in Bezug auf mei­nen Auf­ent­halt in Kap­stadt gefragt, bei wel­chen Fra­gen ich denn unter­stüt­ze. Tat­säch­lich: Gar nicht! Ich schaue, dis­ku­tie­re, ler­ne, las­se mich inspi­rie­ren.

Wasserwirtschaftliche Anpassungen an die Klimawandel-Herausforderungen sind unverzichtbar

Wobei? Nun, fest­zu­stel­len ist, dass der Kli­ma­wan­del uns in Deutsch­land eben­so wie in Süd­afri­ka Anpas­sungs­leis­tun­gen abver­langt. Län­ge­re Dür­re­zei­ten gepaart mit Hit­ze­pe­ri­oden, Stark­nie­der­schlä­ge oder – wie in den ver­gan­ge­nen Mona­ten in Deutsch­land zu ver­zeich­nen – lang­an­hal­ten­de Nie­der­schlags­pha­sen erfor­dern eine Fle­xi­bi­li­tät, neu­deutsch Resi­li­enz. Kon­zen­trie­ren wir uns auf die mit Tro­cken­heit ein­her­ge­hen­den Her­aus­for­de­run­gen, haben wir es ers­tens mit dem Pro­blem anstei­gen­der Spit­zen­las­ten bei der Was­ser­nach­fra­ge und damit mög­li­cher­wei­se nicht aus­rei­chen­der Kapa­zi­tä­ten in den was­ser­wirt­schaft­li­chen Anla­gen zu tun, zwei­tens kann auch ein­fach das Was­ser regio­nal knapp wer­den.

Der rela­tiv nor­ma­le Reflex ist das Aus­bau­en der Kapa­zi­tä­ten. Dies aber ist mit Inves­ti­ti­ons­kos­ten ver­bun­den und unter Nach­hal­tig­keits­ge­sichts­punk­ten min­des­tens frag­lich. Als Öko­nom rate ich, die Nach­fra­ge­sei­te mit in den Blick zu neh­men. Bei der The­ma­tik der anstei­gen­den Spit­zen­las­ten sind wir hier sowohl for­schend an der Hoch­schu­le Ruhr West (HRW) in Mül­heim an der Ruhr als auch bera­tend mit MOcons schon gut unter­wegs: Über las­t­ori­en­tier­te und ins­be­son­de­re dyna­mi­sche Prei­se kön­nen wir Kun­den Anrei­ze geben, ihre Nach­fra­ge von Hoch­last- in Nied­rig­last­fens­ter zu ver­schie­ben. Die­se 3, 4 oder 5 % Men­gen­trans­fer ein­zel­ner Kun­den lie­fert die Sicher­heit für die gro­ße Mas­se der Kun­den. So las­sen sich das Ver­spre­chen der Ver­sor­gungs­si­cher­heit hal­ten und gleich­zei­tig teu­re Inves­ti­ti­ons­kos­ten spa­ren.

Historische Trockenheit bringt Kapstadt an den Rand des „Tag ohne Wassers“

Weni­ger Erfah­rung haben wir, wie wir mit nach­fra­ge­sei­ti­gen Maß­nah­men auf Was­ser­knapp­hei­ten reagie­ren. Klar: Ist zu erwar­ten, dass die­se Was­serd­ar­ge­bots­pro­ble­me anhal­ten, ist sich ange­bots­sei­tig zu diver­si­fi­zie­ren. Auch Kap­stadt reagiert auf die Day-Zero-Erfah­run­gen aus dem Jahr 2018 und inves­tiert nun in Grund­was­ser­för­de­rung, Meer­was­ser­ent­sal­zung und Water-Reu­se. Nach­fra­ge­sei­ti­ge Maß­nah­men kön­nen aber auch hier hel­fen, weil nicht sel­ten Was­ser­man­gel­la­gen einen Epi­so­den­cha­rak­ter haben. Genau mit die­sen nach­fra­ge­sei­ti­gen Maß­nah­men hat man in Kap­stadt viel­fäl­ti­ge Erfah­run­gen gesam­melt und des­we­gen bin ich nun für drei Mona­te am Future Water Insti­tu­te der Uni­ver­si­tät Kap­stadt.

Die Jah­re 2015 bis 2018 waren durch eine Tro­cken­heit gekenn­zeich­net, die sta­tis­tisch unter Nut­zung der his­to­ri­schen Daten ledig­lich alle 590 Jah­re auf­tritt. Zudem bezog die Regi­on den Groß­teil ihres Roh­was­sers aus Tal­sper­ren der Umge­bung, deren Füll­stand sank, je weni­ger es reg­ne­te. Hin­zu kamen poli­ti­sche Ani­mo­si­tä­ten auf natio­na­ler und regio­na­ler Ebe­ne. Die Par­tei Demo­cra­tic Alli­ance (DA) auf regio­na­ler Ebe­ne miss­gönn­te dem ANC auf natio­na­ler Ebe­ne, von der Lösung der Kap­städ­ter Was­ser­pro­ble­me mit­zu­pro­fi­tie­ren. Im Ergeb­nis befand man sich folg­lich in einer Situa­ti­on, in der zwangs­läu­fig nach­fra­ge­sei­tig reagiert wer­den muss­te.

Beeinflussung der Wassernachfrage kann Ressourcenüberlastung dämpfen

Und wie dies gelang: Bis zum Mai 2018 konn­te die Nach­fra­ge um 55 % gesenkt wer­den – von 1,2 Mrd. m³ 2014 auf rd. 500 Mio. m³ im Jahr 2018. Vie­le der Maß­nah­men – zusam­men­ge­fasst in unten­ste­hen­der Abbil­dung – erschei­nen uns ins­be­son­de­re unter Daten­schutz­ge­sichts­punk­ten kri­tisch. Sie sei­en hier den­noch knapp beschrie­ben:

  • Wie vie­le Regio­nen mit star­ten­den Was­ser­man­gel­pro­ble­men begann auch Kap­stadt mit der Ein­schrän­kung der Nut­zun­gen. Gar­ten­be­wäs­se­rung war zunächst an zwei Tagen pro Woche, dann an einem Tag pro Woche, sodann nur noch mit Eimern und final gar nicht mehr erlaubt. Pool­be­fül­lun­gen und Auto­wä­sche wur­de im Zeit­ver­lauf eben­falls unter­sagt. Mit­ar­bei­ten­de der Stadt über­wach­ten die Ein­hal­tung der Vor­ga­ben. Fehl­ver­hal­ten wur­de sank­tio­niert.
  • Beglei­tet wur­den die­se Ge- und Ver­bo­te durch Preis­mo­del­le, die gleich­zei­tig die Bezahl­bar­keit von Was­ser als Lebens­mit­tel Nr. 1 gewähr­leis­te­ten. Ein beson­de­res Unter­fan­gen in einem Land, das wie kein ande­res auf der Welt von Ein­kom­mens- und Ver­mö­gens­un­gleich­heit geprägt ist (Gini-Koef­fi­zi­ent von 0,63).
  • Eine drit­te Säu­le nach­fra­ge­sei­ti­ger Maß­nah­men lag im Bereich der Kom­mu­ni­ka­ti­on und Infor­ma­ti­on. Von drei Pha­sen wird hier berich­tet. Wäh­rend in der ers­ten Pha­se die Bür­ge­rin­nen und Bür­ger für ihr Was­ser­spar­ver­hal­ten gelobt und Was­ser­spar­tipps gege­ben wur­den, wir­ken ins­be­son­de­re die zwei­te und drit­te Pha­se auf uns befremd­lich. Viel­ver­brau­cher erhiel­ten Brie­fe, sie hät­ten ihre Nach­fra­ge ein­zu­schrän­ken, andern­falls wer­de ihnen eine Dros­sel ein­ge­baut. Die 100 größ­ten Ver­brau­cher in der Grup­pe der Haus­halts­kun­den wur­den im Febru­ar 2017 in der Tages­zei­tung unter Anga­be des Stra­ßen­na­mens ver­öf­fent­licht. Eine City Water Map mach­te für jeden abruf­bar, ob der Nach­bar zu viel Was­ser für sich bean­spruch­te. Die letz­te Pha­se wur­de dann durch die „Day-Zero“-Kampagne ein­ge­läu­tet. Mit­te Janu­ar 2018 ver­kün­de­te die dama­li­ge Bür­ger­meis­te­rin von Kap­stadt, Patri­cia de Lil­le, zum 21.4.2018 wür­de die Ver­sor­gung in den Häu­sern ein­ge­stellt und fort­an müs­se sich jede und jeder für Was­ser an einer der 200 öffent­li­chen Zapf­säu­len anstel­len. Im Vor­feld wur­den ein­zel­ne sol­cher Aus­ga­be­stel­len bereits auf­ge­baut, was einen plas­ti­schen Ein­druck zur bevor­ste­hen­den Kata­stro­phe ver­mit­tel­te.
  • Eine nicht unwich­ti­ge Maß­nah­me war abschlie­ßend die Druck­re­du­zie­rung. Auf die­se Wei­se lie­ßen sich Was­ser­ver­lus­te rela­tiv ver­min­dern.

Nachfrageseitige Maßnahmen in Kapstadt „Nach­fra­ge­sei­ti­ge Maß­nah­men Kap­stadt“
Quel­le: Eige­ne Dar­stel­lung in Anleh­nung an Brühl/Visser (2021) u. Vil­liers (2017)

Maßnahmen waren letztendlich erfolgreich

Und wie ging die Geschich­te aus? Im Ergeb­nis hät­ten die Tal­sper­ren noch bis auf einen Füll­stand von mini­mal 13 % sin­ken kön­nen. Bei 18 % Füll­stand wur­de die Kehrt­wen­de erreicht. Dank ein­set­zen­der Win­ter­nie­der­schlä­ge konn­te der „Day Zero“ zunächst abge­sagt wer­den.

Was bleibt? Sicher­lich wird man erst dann zu ähn­lich weit­rei­chen­den Maß­nah­men grei­fen, wenn die Umstän­de dies unab­än­der­lich erfor­dern. Dies ist für Deutsch­land nicht zu erken­nen. Gleich­zei­tig zeigt Kap­stadt, dass sich die Nach­fra­ge sub­stan­ti­ell beein­flus­sen lässt. Die Kom­bi­na­ti­on aus Infor­ma­ti­on, posi­ti­ver Moti­va­ti­on, inno­va­ti­ven Preis­mo­del­len und Moni­to­ring scheint gleich­wohl ziel­füh­rend. Ins­be­son­de­re mehr smar­te Zäh­ler sowie Pro­gno­sen zu Ange­bot und Nach­fra­ge mit­tels KI hel­fen, Kun­din­nen und Kun­den „mit­zu­neh­men“. Tat­säch­lich mei­ne ich, dass wir als Was­ser­ver­sor­gung für die Bür­ge­rin­nen und Bür­ger in Zei­ten zuneh­men­der Klim­wan­del­her­aus­for­de­run­gen nicht die „Rund­um-Sorg­los-Ver­si­che­rung“ sein müs­sen. In wirk­li­chen Aus­nah­me­fäl­len zeigt Kap­stadt, dass wir auf die Bür­ge­rin­nen und Bür­ger zäh­len kön­nen. Wenn wir auch im Sin­ne der Nach­hal­tig­keit mit Augen­maß inves­tie­ren, wird eine mar­gi­na­le Qua­li­täts­ein­bu­ße gut ver­mit­tel­bar sein. Ein sol­cher sich dann ein­stel­len­der Dia­log mit unse­rer Kund­schaft mag gar Chan­cen beinhal­ten.“

Quellen:

Bei­trags­fo­to: Thee­wa­ter­s­kloof-Damm März 2024 (Oel­mann)

Wenn Wasserpreise steigen, weil die Haushalte schrumpfen

„Die deut­schen Haus­hal­te wer­den immer klei­ner, aber es wer­den immer mehr.“ So lässt sich eine Nach­richt des Bun­des­in­sti­tuts für Bevöl­ke­rungs­for­schung (BiB) zusam­men­fas­sen. Was das mit der Was­ser­ver­sor­gung und den Was­ser­prei­sen zu tun haben könn­te, beschreibt die­ser Bei­trag.

Demographische Entwicklungen haben zu geänderten Wasserpreissystemen

Vor annä­hernd 15 Jah­ren hat­te ich für mei­nen dama­li­gen Arbeit­ge­ber, die RWE, ein span­nen­des Pro­jekt lei­ten dür­fen. Es ging um die Unter­su­chung der „Aus­wir­kun­gen es demo­gra­fi­schen Wan­dels auf die netz­ge­bun­de­ne Infra­struk­tur“. Kurz­um: was müs­sen Ver­sor­ger machen, um ihre Infra­struk­tur und ihre Finan­zen den demo­gra­phi­schen Ver­än­de­run­gen ent­spre­chend anzu­pas­sen? Eine der Ver­än­de­run­gen, die damals abseh­bar waren, war der Rück­gang der (spe­zi­fi­schen) Was­ser­nach­fra­ge der Pri­vat­haus­hal­te. Bei der RWE-Toch­ter RWW haben wir dar­auf­hin das Was­ser­preis­sys­tem robus­ter gemacht, in dem wir das Sys­tem­preis­mo­dell ein­führ­ten. Immer mehr Was­ser­ver­sor­ger gehen den­sel­ben Weg oder sichern ander­wei­tig ihre Ein­nah­men gegen Nach­fra­ge­rück­gän­ge ab.

Wie sind jetzt die Ver­än­de­run­gen der Haus­halts­struk­tur und die Zunah­me der Haus­hal­te zu bewer­ten?

Der Trend zu kleineren Haushalten ist ungebrochen

Im Jahr 1871 gab es in Deutsch­land rund 8,7 Mil­lio­nen Pri­vat­haus­hal­te. In denen wohn­ten im Durch­schnitt jeweils 4,6 Per­so­nen. Zu dama­li­ger Zeit steck­te die zen­tra­le Was­ser­ver­sor­gung in vie­len deut­schen Städ­ten bes­ten­falls in den Kin­der­schu­hen, heu­te dage­gen muss jeder Haus­halt an das Trink­was­ser­netz ange­schlos­sen wer­den. Die­se Zahl ist in den ver­gan­ge­nen 150 Jah­ren auf 42,5 Mil­lio­nen Haus­hal­te ange­wach­sen. Aller­dings leben in denen nur noch durch­schnitt­lich jeweils 1,96 Per­so­nen. Die Exper­ten des Sta­tis­ti­schen Bun­des­am­tes pro­gnos­ti­zie­ren, dass die Per­so­nen­zahl je Haus­halt bis 2035 wei­ter schrump­fen wird – auf durch­schnitt­lich 1,90 Per­so­nen. Dage­gen pro­gnos­ti­zie­ren sie für die Haus­hal­te einen Anstieg auf 43,2 Mil­lio­nen, wie die nach­ste­hen­de Gra­fik für den Zeit­raum 1991 bis 2035 zeigt.

Der seit Anfang des 20. Jahr­hun­derts vor­herr­schen­de Trend zur Ver­klei­ne­rung der Haus­hal­te steht ins­be­son­de­re in engem Zusam­men­hang mit den nied­ri­gen Kin­der­zah­len und dem stei­gen­den Anteil von Sin­gles. Hin­zu kommt, dass Part­ner­schaf­ten mit getrenn­ten Haus­hal­ten zur Bil­dung klei­ne­rer Haus­hal­te füh­ren und damit die Gesamt­zahl der Haus­hal­te erhö­hen. Des­halb spie­len auch Zweit­wohn­sit­ze eine immer grö­ße­re Rol­le – übri­gens auch Feri­en­woh­nun­gen. Nicht zuletzt steigt mit der Alte­rung der Gesell­schaft der Anteil klei­ner Haus­hal­te durch mehr Paa­re und Allein­ste­hen­de, deren Kin­der den Haus­halt bereits ver­las­sen haben. Soviel zur Sta­tis­tik, kom­men wir zur Was­ser­ver­sor­gung.

Was die zunehmende Verkleinerung der Haushalte mit der Wasserversorgung zu tun haben

Was das mit der Was­ser­ver­sor­gung zu tun hat? Wenn die Haus­hal­te immer klei­ner wer­den, müs­sen folg­lich immer weni­ger Per­so­nen mit Was­ser ver­sorgt wer­den, ohne dass die Sys­te­me des­we­gen ver­klei­nert oder klei­ner aus­ge­legt wer­den kön­nen. Denn die jeder­zei­ti­ge Lie­fe­rung mit Was­ser muss gewähr­leis­tet wer­den, ohne dass der Ver­sor­ger den kon­kre­ten Bedarf kennt, geschwei­ge denn dar­auf Ein­fluss hät­te. Die Haus­hal­te ent­schei­den am Was­ser­hahn wann und wie­viel Was­ser sie brau­chen – ohne Vor­ankün­di­gung.

Eine BiB-Ana­ly­se der Bun­des­län­der zeigt, dass ins­be­son­de­re die Stadt­staa­ten wie Ber­lin, Ham­burg und Bre­men beson­ders klei­ne Haus­halts­grö­ßen auf­wei­sen. Mit ande­ren Wor­ten, städ­ti­sche Regio­nen sind grund­sätz­lich stär­ker betrof­fen von Kleinst­haus­hal­ten, als länd­li­che. Der Ver­gleich der Haus­halts­grö­ßen zischen 1950 und 2021 zeigt auch die Ver­tei­lung. Dem­zu­fol­ge hat sich der Anteil der Ein­per­so­nen­haus­hal­te von 20 auf 40 Pro­zent ver­dop­pelt, wäh­rend der Anteil der Vier- und Mehr-Per­so­nen­haus­hal­te von rund 30 auf 13 Pro­zent gesun­ken ist. Die Drei-Per­so­nen­haus­hal­te haben sich anteils­mä­ßig hal­biert.

Das Preis-Kostendilemma verschlimmert die wirtschaftlichen Folgen der demographischen Entwicklung

Bei den Was­ser­ver­sor­ger ist die weit­ge­hen­de Reak­ti­ons­un­fä­hig­keit und ins­be­son­de­re die Kos­ten­re­ma­nenz bezo­gen auf die bestehen­den Haus­an­schlüs­se ein wach­sen­des Pro­blem. In den Was­ser­ver­sor­gungs­an­la­gen muss unge­ach­tet der spe­zi­fi­schen Nach­fra­ge immer aus­rei­chend Was­ser vor­ge­hal­ten wer­den. Der Was­ser­lie­fe­rant kann sei­ne tech­ni­schen Anla­gen nicht der ver­än­der­ten Nach­fra­ge ent­spre­chen vari­ie­ren. Zudem haben die ver­gan­ge­nen Hit­ze­som­mer gezeigt, dass die Was­ser­nach­fra­ge vor­über­ge­hen­de Spit­zen erreicht (die zumin­dest bis­lang immer bedient wer­den soll­ten). Der Ver­sor­ger hat auch ein Pla­nungs­pro­blem, denn er kann gar nicht wis­sen, wie­vie­le Per­so­nen hin­ter einem Anschluss ste­cken. Dort, wo der Grund­preis nach Zäh­ler­grö­ße statt nach Wohn­ein­hei­ten abge­rech­net wird, ist zumeist nicht ein­mal die dahin­ter lie­gen­de Anzahl der Haus­hal­te bekannt. Vie­le Ver­sor­ger pla­nen im Blind­flug.

Aber nicht nur die Ver­klei­ne­rung der Haus­hal­te senkt die Nach­fra­ge hin­ter einem Anschluss, auch das Was­ser­spa­ren. Res­sour­cen­be­dingt unter gege­be­nen Umstän­den durch­aus gewünscht, ver­stärkt das Was­ser­spa­ren in Haus­hal­ten die spe­zi­fi­schen Absatz­rück­gän­ge. Es ist sehr unwahr­schein­lich, dass dies eine vor­über­ge­hen­de Ent­wick­lung sein wird. Der Ein­bau von Ener­gie- und Was­ser­spa­ren­den Haus­halts­ge­rä­ten und Arma­tu­ren sowie die Nut­zung von Regen­was­ser in Haus­hal­ten läßt stei­gen­de Was­ser­nach­fra­gen allen­falls tem­po­rär erwar­ten. Wenn also die Anzahl der Per­so­nen sinkt und sich der spar­sa­me­re Umgang mit Was­ser fest eta­bliert, dann soll­ten die Ver­sor­ger von gerin­ge­ren Absatz­men­gen in Pri­vat­haus­hal­ten aus­ge­hen.

Demographische Entwicklung forciert die Wasserpreissteigerungen

Der Nach­fra­ge­rück­gang bei gleich­zei­tig wach­sen­der Anschluss­zah­len mün­det in Anbe­tracht der vor­herr­schen­den Was­ser­preis­sys­te­me zwangs­läu­fig in nied­ri­ge­ren Erlö­sen. Wenn – wie in Deutsch­land üblich – der Men­gen­preis­an­teil an den Gesamt­erlö­sen hoch ist, dann führt ein Nach­rück­gang unwei­ger­lich zu sin­ken­den Erlö­sen und zu den bekann­ten Kos­ten­de­ckungs­lü­cken. Das Risi­ko dafür ist in Deutsch­land groß, denn die men­gen­ab­hän­gi­gen Erlös­an­tei­le betra­gen hier­zu­lan­de durch­schnitt­lich 80 Pro­zent, weil die meis­ten Ver­sor­ger auf hohe Men­gen­prei­se set­zen, wäh­rend dage­gen der damit kor­re­spon­die­ren­de varia­ble Kos­ten­an­teil bei nur etwa 20 Pro­zent liegt. Es leuch­tet unmit­tel­bar ein, dass die­se Struk­tur­un­ter­schie­de zu Pro­ble­men füh­ren müs­sen, wenn die Absatz­men­gen – und damit die Erlö­se – zurück­ge­hen, nicht aber die Kos­ten. Die müs­sen dann anders ver­teilt wer­den und füh­ren so zu stei­gen­den Was­ser­prei­sen. Die stei­gen­de Anzahl an Haus­hal­ten, die an das Ver­sor­gungs­sys­tem ange­schlos­sen wer­den müs­sen, die zudem meist auf was­ser­spa­ren­de Tech­no­lo­gien ver­se­hen wer­den, ver­schär­fen die wirt­schaft­li­chen Her­aus­for­de­run­gen bei den Ver­sor­gern. Lei­der ver­schlie­ßen vie­le davor die Augen und glau­ben das The­ma auf­schie­ben zu kön­nen.

Wer sich als Kun­de oder Ver­brau­cher die Fra­ge stellt, war­um sei­ne Was­ser­prei­se gestie­gen sind, mag in den Zusam­men­hän­gen von Bevöl­ke­rungs­sta­tis­tik und Was­ser­ver­sor­gung eine Ant­wort fin­den. Wer dage­gen als Was­ser­ver­sor­ger robus­ter auf­stel­len möch­te, um der nach­fra­ge­be­ding­ten Preis­spi­ra­le etwas ent­ge­gen zu set­zen, der hät­te mit der Umstel­lung oder Anpas­sung des Was­ser­preis­sys­tems eine pro­ba­te Lösung. Jeden­falls sehen jene Ver­sor­ger, die in der Ver­gan­gen­heit ihre Prei­se auf ein Wohn­ein­hei­ten­preis­mo­dell wie dem Sys­tem­preis­mo­dell oder ander­wei­tig auf höhe­re Fixent­gelt­an­tei­le umge­stellt haben, die­se Ent­wick­lung mit weni­ger Sor­ge. Ihr Preis­sys­tem ist robus­ter gestal­tet und damit weni­ger anfäl­lig für demo­gra­phi­sche Ver­än­de­run­gen.

Quellen / Weiterführendes

Bei­trags­fo­to von Ryan McGui­re auf Pix­a­bay

Warum nicht nur die englischen Wasser- und Abwasserentgelte steigen werden…

Im letz­ten Blog-Bei­trag wur­de beschrie­ben, dass die eng­li­schen Was­ser- und Abwas­ser­ent­gel­te in naher Zukunft signi­fi­kant stei­gen wer­den. Der natür­li­che Reflex in Deutsch­land setzt ein: „Hier bei uns kann dies nicht pas­sie­ren. Wir wirt­schaf­ten nach­hal­tig – öko­lo­gisch und öko­no­misch!“

Doch ist dies wirk­lich so? Wie immer wird man nicht sämt­li­che deut­schen Was­ser­ver- und Abwas­ser­ent­sor­ger „über einen Kamm“ sche­ren kön­nen. Fol­gen­de Ten­den­zen aber sind aus­zu­ma­chen, die sich bei den Unter­neh­men unter­schied­lich kumu­lie­ren und damit einen unter­schied­lich star­ken Druck auf Was­ser- und Abwas­ser­ent­gel­te aus­üben.

Gemein­hin wird zunächst mit den Finan­zie­rungs­not­wen­dig­kei­ten argu­men­tiert. Die Ersatz­in­ves­ti­ti­ons­quo­ten sei­en so nied­rig, dass das „böse Erwa­chen“ zwangs­läu­fig fol­ge. Auch erfor­dern poli­ti­sche Vor­ga­ben sei­tens der EU oder auch der Bun­des­re­pu­blik zuneh­men­de Neu­in­ves­ti­tio­nen. Zu den­ken ist hier etwa an den not­wen­di­gen Zubau einer vier­ten Rei­ni­gungs­stu­fe in vie­len Klär­an­la­gen zur Eli­mi­na­ti­on von Spu­ren­stof­fen. Soll­te die­ser Zubau über die Gebüh­ren und nicht etwa über die Mit­be­tei­li­gung der Indus­trie an den Aus­bau­kos­ten – sie­he hier­zu etwa den Vor­schlag zur Ein­füh­rung eines sog. Fonds­mo­dells [1] – finan­ziert wer­den, sind dies selbst­re­dend wich­ti­ge Trei­ber für stei­gen­de Abwas­ser­ent­gel­te.

Im nächs­ten Schritt wird – eben­so rich­tig – auf sich erhö­hen­de Input­kos­ten ver­wie­sen, die dann über stei­gen­de Ent­gel­te wei­ter­ge­ge­ben wer­den müs­sen. Stei­gen­de Kos­ten resul­tie­ren aus Lie­fer­ket­ten­pro­ble­ma­ti­ken, Fach­kräf­te­man­gel, stei­gen­den Ener­gie­kos­ten ohne Abfe­de­rung durch Strom­preis­brem­se etc. [2].

Damit ist die Geschich­te aber noch nicht zu Ende. Es gibt wei­te­re Grün­de, die wie ticken­de Zeit­bom­ben schein­bar nur dar­auf war­ten, zu explo­die­ren.

Nicht sel­ten wird die Was­ser­ver­sor­gung von einem Stadt­werk ange­bo­ten, das eben­falls ande­re Spar­ten in sei­nem Ange­bots­port­fo­lio hat. Sehr aus­kömm­li­che Gewin­ne im Gas­ver­trieb sowie im Fern­wär­me­seg­ment ermög­lich­ten es in der Ver­gan­gen­heit der Stadt­wer­ke-Geschäfts­füh­rung, dem Wunsch nach­zu­kom­men (der nicht sel­ten von der kom­mu­na­len Poli­tik geäu­ßert wird), Was­ser­prei­se nicht zu stark stei­gen zu las­sen oder sie gar über einen lan­gen Zeit­raum kon­stant zu hal­ten. Die Bedeu­tung von Gas für den Wär­me­markt wird zurück­ge­hen und der Fern­wär­me­markt gelangt zuneh­mend in den Blick einer kar­tell­recht­li­chen Über­prü­fung. Bei­des führt dazu, dass sich die Was­ser­spar­te zukünf­tig wird selbst tra­gen müs­sen, was auch Geschäfts­füh­rer in Quer­ver­bund­un­ter­neh­men man­tra­ar­tig ihren Eigen­tü­mern dar­le­gen wer­den.

Hier gelangt dann mit­un­ter ins Blick­feld, dass Was­ser­ver- und Abwas­ser­ent­sor­ger oft kei­ne kos­ten­de­cken­den Preise/Gebühren erhe­ben. Der Umstieg von auf­wands- hin zu kos­ten­be­zo­ge­ner Kal­ku­la­ti­on führt für sich genom­men schon ein­mal zu einer Ent­gelt­stei­ge­rung, die durch­aus im Bereich von 20 % liegt.

Wohl denen, die bereits kos­ten­de­cken­de Preise/Gebühren ver­ein­nah­men, mag man fol­gern. Oft wird dem zuzu­stim­men sein. In vie­len Fäl­len aber auch nicht, denn wäh­rend die kal­ku­la­to­ri­sche Eigen­ka­pi­tal­ver­zin­sung mit gutem Grund an die Eigen­ka­pi­tal­ge­ber aus­ge­schüt­tet wird – der Eigen­tü­mer könn­te sein Geld ja auch anders anle­gen – gilt dies für die Dif­fe­renz aus kal­ku­la­to­ri­schen und bilan­zi­el­len Abschrei­bun­gen nicht!

Was pas­siert hier? Han­dels­recht­lich sind im Jah­res­ab­schluss die Abschrei­bun­gen bilan­zi­ell, das heißt auf Basis der Anschaf­fungs- und Her­stel­lungs­kos­ten, vor­zu­neh­men. Damit Was­ser- und Abwas­ser­un­ter­neh­men gleich­wohl Mit­tel zur Innen­fi­nan­zie­rung auch für die zukünf­ti­gen (Re-) Inves­ti­tio­nen auf­bau­en kön­nen, ist es öko­no­misch stich­hal­tig, auf Basis der sog. Wie­der­be­schaf­fungs­zeit­wer­te abzu­schrei­ben. Die­se sind in der Regel erheb­lich höher – schlicht des­halb, weil das Ver­le­gen eines Meters Kanal heu­te teu­rer ist als vor 80 Jah­ren. Dadurch, dass die­se kal­ku­la­to­ri­schen Kos­ten Ein­gang in die Preis­er­mitt­lung neh­men, damit der Umsatz gegen­über dem abzu­zie­hen­den Auf­wand grö­ßer wird, ent­steht ein Gewinn, der Begehr­lich­kei­ten schafft. Der Anteils­eig­ner, dem in der Auf­sichts­rats­sit­zung ein ver­meint­li­cher Gewinn prä­sen­tiert wird, drängt auf des­sen Aus­schüt­tung. Oft ver­mag es der Geschäfts­füh­rer nicht, sich die­sem Wunsch aus­rei­chend ent­ge­gen­zu­stel­len.

Wäh­rend für die ers­ten vier genann­ten Grün­de für Ent­gelt­stei­ge­run­gen der Was­ser­ver- oder Abwas­ser­ent­sor­ger nur sehr bedingt etwas kann, sieht es hier bei die­sem fünf­ten Grund anders aus. Die Dif­fe­renz aus kal­ku­la­to­ri­schen und bilan­zi­el­len Abschrei­bun­gen muss zwin­gend in Form einer Rück­la­ge im Unter­neh­men ver­blei­ben. Zum einen, weil der Sub­stanz­er­halt der urei­ge­ne Zweck die­ser zen­tra­len kal­ku­la­to­ri­schen Kos­ten­po­si­ti­on ist. Zum ande­ren ver­rin­gert sich aber durch deren Aus­schüt­tung die Innen­fi­nan­zie­rungs­kraft des Unter­neh­mens. Fremd­ka­pi­tal­zin­sen müs­sen folg­lich gezahlt wer­den, die ansons­ten nicht anfie­len.

Zusam­men­fas­send lässt sich daher fest­hal­ten, dass auch in Deutsch­land die Was­ser- und Abwas­ser­ent­gel­te wer­den stei­gen müs­sen. Unter Nach­hal­tig­keits­ge­sichts­punk­ten und im Hin­blick auf die Gene­ra­tio­nen­ge­rech­tig­keit ist dies auch nicht nega­tiv. Sehr ärger­lich ist es aller­dings, wenn Gel­der aus dem Unter­neh­men gezo­gen wur­den, obwohl sie genau zur Dämp­fung zukünf­ti­ger Ent­gelt­an­stie­ge gedacht waren. Die­ser Trei­ber ist dann mehr als haus­ge­macht!

Und was bedeu­tet dies für die ande­ren The­men­fel­der, mit denen wir uns auf dem Was­ser­prei­spor­tal beschäf­ti­gen? Nun: Stei­gen­de Kos­ten sind das Eine. Wie sich die­se vor dem Hin­ter­grund von zum Teil in Kon­flikt mit­ein­an­der ste­hen­den Zie­len wie z. B. Ent­gelt­sta­bi­li­tät, öko­lo­gi­scher Nach­hal­tig­keit oder Ver­ur­sa­chungs- und Ver­tei­lungs­ge­rech­tig­keit über intel­li­gen­te Ent­gelt­mo­del­le ver­ein­nah­men las­sen, ist das Ande­re. Hier beginnt unser Ter­rain! Kon­tak­tie­ren Sie uns!

Quellen

[1] Oel­mann, Mark und Chris­toph Czichy (2019): „Gut­ach­ten für den BDEW – Mög­lich­kei­ten einer ver­ur­sa­cher­ge­rech­ten Finan­zie­rung von Maß­nah­men zur Reduk­ti­on von Spu­ren­stof­fen“ (https://www.bdew.de/service/publikationen/moeglichkeiten-einer-verursachergerechten-finanzierung-von-ma%C3%9Fnahmen-zur-reduktion-von-spurenstoffen/)

[2] VKU e. V. (2023): „Unser Was­ser – Fra­gen und Ant­wor­ten zur Preis­ent­wick­lung“ (https://www.vku.de/unser-wasser-fragen-und-antworten-zur-preisentwicklung/)

Bei­trags­fo­to: Pri­va­tes Foto von Sieg­fried Gen­d­ries

Wasserpreise in England im Steigflug! Wasserarmut bei den Kunden könnte drastisch zunehmen  

Eng­lands Was­ser­wirt­schaft steht gegen­wär­tig „mit dem Rücken zur Wand“. Bis 2030 muss sie einen fast drei­stel­li­gen Mil­li­ar­den­be­trag inves­tie­ren. Ange­sichts der Ver­säum­nis­se der Ver­gan­gen­heit wird die Regu­lie­rungs­be­hör­de die Inves­ti­tio­nen und die dar­aus resul­tie­ren­den Preis­an­stie­ge wohl geneh­mi­gen müs­sen. Die hier­aus zu erwar­ten­de Was­ser­kos­ten­ex­plo­si­on für die Haus­hal­te in Eng­land und Wales wird für deut­sche Ver­hält­nis­se unvor­stell­bar sein. So wer­den immer mehr eng­li­sche Haus­hal­te auf Zah­lungs­hil­fen ange­wie­sen sein wer­den, um die Was­ser­rech­nung zu bezah­len. Die wirt­schaft­li­che Was­ser­ar­mut könn­te nahe­zu jeden ach­ten Haus­halt in Eng­land tref­fen.

Verstöße und Versäumnisse als Grund für beispiellose Investitionen

Eng­land Was­ser­wirt­schaft steht wegen zuneh­men­der Umwelt­ver­stö­ße „am Pran­ger“. So sind über 300.000-mal im ver­gan­ge­nen Jahr in Fol­ge schwe­rer Regen­fäl­le beträcht­li­che Abwas­ser­men­gen aus Anla­gen der Was­ser­un­ter­neh­men in die Umwelt gelangt. Wäh­rend die Gesell­schaf­ter, der in Tei­len pri­va­ti­sier­ten Unter­neh­men fast 150 Pro­zent höhe­re Divi­den­den­zah­lun­gen erhiel­ten, wur­den drin­gend erfor­der­li­che Inves­ti­tio­nen in die Ver­sor­gungs­si­cher­heit und zur Ein­hal­tung der Umwelt­stan­dards ver­nach­läs­sigt. Die Was­ser­un­ter­neh­men haben daher erheb­li­chen Nach­hol­be­darf, um Stra­fen und wei­te­ren Maß­nah­men zu ent­ge­hen. Auf poli­ti­scher Ebe­ne wird zudem immer mal wie­der mit der Re-Ver­staat­li­chung gedroht.

Mit einer bis­her ein­zig­ar­ti­gen Inves­ti­ti­ons­in­itia­ti­ve wol­len die stark in der öffent­li­chen Kri­tik ste­hen­den Unter­neh­men die­se Her­aus­for­de­run­gen jetzt ange­hen. In den nächs­ten fünf Jah­ren sol­len daher 96 Mil­li­ar­den £ (ca. 110 Mil­li­ar­den €) in die Was­ser-Infra­struk­tur inves­tiert wer­den. Die­se bei­spiel­lo­se Inves­ti­ti­on über­trifft das aktu­el­le Volu­men um 90 Pro­zent und ent­spricht Berech­nun­gen des eng­li­schen Bran­chen­ver­ban­des Water UK zufol­ge, mehr als 40 Pro­zent der Gesamt­in­ves­ti­tio­nen im übri­gen Euro­pa.


Finan­cial Times


Regulierungsbehörde muss Massnahmen bewilligen

Die Zah­len stam­men aus den Wirt­schafts­plä­nen, die die Was­ser­un­ter­neh­men Anfang Okto­ber der eng­li­schen Regu­lie­rungs­be­hör­de OFWAT für die­sen soge­nann­ten Pri­ce Review (PR-24) für den Zeit­raum 2025 bis 2030 vor­ge­legt hat­ten. Anders als in Deutsch­land, wo Was­ser­ta­ri­fe und Abwas­ser­ge­büh­ren ent­we­der durch demo­kra­tisch legi­ti­mier­te kom­mu­na­le oder kar­tell­be­hörd­li­che Insti­tu­tio­nen über­wacht wer­den, über­nimmt dies für Eng­land und Wales eine zen­tra­le staat­li­che Regu­lie­rungs­be­hör­de.  Die­se muss die Inves­ti­tio­nen und damit die dar­aus resul­tie­ren­den Preis­set­zun­gen – ggf. ver­bun­den mit Auf­la­gen – geneh­mi­gen.

Die von den Was­ser­un­ter­neh­men vor­ge­leg­ten Plä­ne zie­len bei­spiels­wei­se dar­auf ab, zusätz­li­che Reser­voirs zu errich­ten. So soll die Ver­sor­gungs­si­cher­heit in Eng­land erhöht wer­den. Bekannt­lich herrscht seit meh­re­ren Jah­ren Was­ser­knapp­heit auf der Insel. Immer wie­der muss­ten weit rei­chen­de Was­ser­ent­nah­me- und Nut­zungs­be­schrän­kun­gen erlas­sen wer­den (u.a. „hor­se pipe bans“). Das ist auch der Grund für eine zwei­te wich­ti­ge Maß­nah­me. Lan­ge Zeit war Eng­land bekannt für sei­ne hohen Was­ser­ver­lus­te infol­ge maro­der Net­ze. Aktu­ell gehen sage und schrei­be drei Mil­lio­nen Kubik­me­ter Was­ser durch Lecka­gen in den Lei­tun­gen auf dem Weg zu den Kun­den ver­lo­ren.  Das sind rund 50 Liter Was­ser je Ein­woh­ner und Tag! Das soll sich ändern. Die für die Was­ser­ver­lus­te ursäch­li­chen Lecka­gen („leaka­ges“) sol­len im Ver­gleich zum Niveau von 2020 um 25 Pro­zent gesenkt wer­den. Damit will Eng­land in Euro­pa in die Grup­pe der „fünf Mus­ter­schü­ler“ bei Lecka­gen und Was­ser­ver­lus­ten auf­stei­gen. Ange­sichts der Ver­säum­nis­se der Ver­gan­gen­heit darf daher erwar­tet wer­den, dass die Regu­lie­rungs­be­hör­de OFWAT die­se Maß­nah­men geneh­mi­gen wird.

Wasserkosten werden beträchtlich steigen

So will­kom­men die Maß­nah­men aus Umwelt- sowie Res­sour­cen­sicht und für die Ver­sor­gungs­si­cher­heit auch wären, sie hät­ten mas­si­ve Aus­wir­kun­gen auf die eng­li­schen Was­ser­kun­den. Denn durch die zusätz­li­chen Inves­ti­tio­nen wer­den die Was­ser­rech­nun­gen sehr deut­lich anstei­gen. Heu­te beträgt die Was­ser­rech­nung durch­schnitt­lich 448 £. Davon ent­fal­len 215 £ auf die Was­ser­ver­sor­gung und 233 £ auf die Abwas­ser­rei­ni­gung. Schon in die­sem Jahr sind die Prei­se ange­stie­gen und wer­den 2025 wei­ter anstei­gen. Von 19 Pro­zent gehen die Exper­ten aus. Wer­den die Inves­ti­ti­ons­plä­ne von OFWAT geneh­migt, kom­men von 2025 und 2030 wei­te­re 35 Pro­zent durch­schnitt­li­cher Preis­an­stieg dazu und müs­sen von den Was­ser­kun­den zu ver­kraf­ten wer­den.

Die höchs­ten Anstie­ge wer­den die Kun­den im Süd­os­ten Eng­lands zu ver­kraf­ten haben. Von Hamp­shire bis Kent ist Sou­thern Water zustän­dig für die Ver­sor­gung mit Was­ser und die Ent­sor­gung des Schmutz­was­sers. Heu­te zah­len die Kun­den dafür 432 £ im Jahr. Künf­tig sol­len es 222 £ sein – über die Hälf­te mehr.

Die Besit­zer die­ses Anwe­sens wer­den in Cran­brook (Kent) wer­den sich die Mehr­kos­ten womög­lich leis­ten kön­nen (Foto: Gen­d­ries)

Jeder achte englische Haushalt könnte von Wasserarmut betroffen sein

Die­se Ent­wick­lung wird vie­le eng­li­sche Haus­hal­te hart tref­fen. Schon heu­te meh­ren sich die Kla­gen über die stei­gen­den Haus­halts­kos­ten für Was­ser und Abwas­ser. So kann sich jeder Zwan­zigs­te der rd. 24 Mil­lio­nen eng­li­schen Haus­hal­te das Was­ser und Abwas­ser nicht mehr leis­ten. Die­se sind von soge­nann­ter „Was­ser­ar­mut“ („water pover­ty“) betrof­fen. Der im eng­li­schen Regu­lie­rungs­sys­tem ver­an­ker­te Ver­brau­cher­rat für Was­ser (CCW – Con­su­mer Coun­cil for Water) defi­niert „Was­ser­ar­mut“ für einen Haus­halt, der mehr als fünf (bzw. drei) Pro­zent sei­nes ver­füg­ba­ren Ein­kom­mensfür Was­ser­rech­nun­gen aus­gibt. Das gilt mitt­ler­wei­le für jeden zwan­zigs­ten Haus­halt. Die­se kön­nen von den Was­ser­un­ter­neh­men ange­bo­te­ne Kos­ten­nach­läs­se für Was­ser sog. social tariffs in Anspruch neh­men. Im ver­gan­ge­nen Jahr betrug der jähr­li­che Nach­lass auf die Was­ser­rech­nung durch­schnitt­lich 149 £. Das sum­mier­te sich lan­des­weit auf rund 180 Mil­lio­nen £. Das ist offen­kun­dig noch nicht das Ende der Fah­nen­stan­ge.

Wegen der geplan­ten Preis­stei­ge­run­gen wird damit gerech­net, dass die Zahl der Haus­hal­te, für die Was­ser und Abwas­ser uner­schwing­lich sein wer­den, bis 2030 auf etwa 3,2 Mil­lio­nen Haus­hal­te anstei­gen wird. Wir spre­chen also über jeden ach­ten Haus­halt in Eng­land, der von Was­ser­ar­mut betrof­fen sein wird.

Mit die­sem Pro­gramm hilft bei­spiels­wei­se Sou­thern Water sei­nen Kun­den, für die die Was­ser­rech­nung uner­schwing­lich wird (Q: Sou­thern Water)

Moderate Preissteigerungen sind unvermeidbar

Ver­gli­chen mit der Ent­wick­lung in Eng­land, kön­nen die deut­schen Was­ser­kun­den mit den Preis- und Gebüh­ren­an­stie­gen eigent­lich zufrie­den sein. Zwar müs­sen auch hier­zu­lan­de eini­ge Was­ser­ver­sor­ger gegen­wär­tig die gra­vie­ren­den Kos­ten­an­stie­ge an ihre Kun­den wei­ter­ge­ben und teil­wei­se dras­ti­sche Preis­stei­ge­run­gen vor­neh­men, aber die­se bewe­gen sich zumeist in erschwing­li­chen Band­brei­ten. Trotz­dem kom­men hohe zwei­stel­li­ge Preis­er­hö­hun­gen zustan­de. Das sind nach mei­nen Erfah­run­gen aller­dings Ein­zel­fäl­le. Zahl­rei­che Unter­neh­men haben in den ver­gan­ge­nen Jah­ren auf Was­ser­preis­sta­bi­li­tät gesetzt oder ver­meint­li­che Kun­den­be­schwer­den befürch­tet. Das dürf­te sich als fal­sche Tak­tik erwie­sen haben.

Ins­ge­samt ent­wi­ckeln sich die Was­ser­prei­se in Deutsch­land seit Jahr­zehn­ten unter­halb oder ent­lang der Preis­stei­ge­rungs­ra­te. Zudem sind der­ar­ti­ge Ver­säum­nis­se und Inves­ti­ti­ons­staus wie in Eng­land hier­zu­lan­de eher sel­ten. Das bele­gen auch die im Ver­gleich zu Eng­land deut­lich sel­te­ne­ren Lecka­gen und gerin­ge­ren Was­ser­ver­lust­ra­ten. Aber Qua­li­tät hat ihren Preis. Die deut­sche Infra­struk­tur ist mit ihren maro­den Brü­cken, den schlech­ter wer­den­den Stra­ßen und stör­an­fäl­li­gen Bahn­stre­cken im inter­na­tio­na­len Ver­gleich kein „Mus­ter­kna­be“. Die Inves­ti­tio­nen in die Siche­rung der Infra­struk­tur beim Was­ser und Abwas­ser sind alter­na­tiv­los. Wer da am fal­schen Ende spart, bekommt garan­tiert die Quit­tung.

Quellen / Weiterführendes

Foto: ima­gil / Pix­a­bay

Wassergebührenanstieg in Baden-Württemberg bleibt unter allgemeiner Preisentwicklung

Bun­des­weit bleibt die Was­ser­preis­ent­wick­lung weit­ge­hend unter­halb der Infla­ti­ons­ra­te. So auch in Baden-Wür­t­­te­m­­berg. Dort ver­teu­er­ten sich durch­schnitt­li­chen Was­ser­ge­büh­ren und ‑prei­se zwi­schen 2022 und 2023 zwar stär­ker als in den Vor­jah­ren, jedoch blie­ben sie unter der Gesamt­teue­rung (Infla­ti­ons­ra­te). Wie das Sta­tis­ti­sche Lan­des­amt Baden-Wür­t­­te­m­­berg mit­teilt, kos­te­ten Trink­was­ser und Abwas­ser zum Stich­tag 1. Janu­ar 2023 rund 5 Pro­zent und das Nie­der­schlags­was­ser rund […]

Wasserpreise im größeren Zusammenhang sehen

Wasserpreise = Tarifkundenpreise?

Wenn wir an Was­ser­prei­se den­ken, kom­men uns zuvor­derst Prei­se für End­kun­den in den Sinn. Die­se ste­hen im beson­de­ren Fokus und immer mehr Akteu­re machen sich Gedan­ken über die Zie­le, die mit der Aus­ge­stal­tung von Preis­mo­del­len ver­bun­den sind und wie sich die­se errei­chen las­sen. Die­ser Blick aber auf Model­le ledig­lich für Tarif­kun­den ist ver­kürzt. Hier­mit bleibt ein Was­ser­ver­sor­ger unter sei­nen Mög­lich­kei­ten – erst recht dann, wenn preis­li­che Fest­le­gun­gen mit Kun­den und/oder Lie­fe­ran­ten zwi­schen „Tür und Angel“ ohne stra­te­gi­sche Weit­sicht getrof­fen wer­den. Sol­che Preis­mo­dell­kon­zep­te gera­de mit Nicht-Tarif­kun­den sind eine Chan­ce für den Was­ser­ver­sor­ger, an sei­ner ganz­heit­li­chen „Preis-Geschich­te“ wei­ter­zu­schrei­ben.

Das Ökosystem eines Wasserversorgers

Der Was­ser­ver­sor­ger steht in einer viel­fäl­ti­gen Bezie­hung zu ande­ren. Bei­spiel­haft wird dies anhand der fol­gen­den Abbil­dung beschrie­ben.

„Das Öko­sys­tem eines Was­ser­ver­sor­gers“
Quel­le: Czichy/Gendries/Oelmann (2023)

Wasserdargebot, Systemkapazitäten und Kunden

Ein Was­ser­ver­sor­ger ver­fügt über unter­schied­li­che Bezugs­quel­len, aus denen er ver­schie­de­ne Kun­den­grup­pen ver­sorgt. Als Bin­de­glied bei der Belie­fe­rung die­nen ihm sei­ne Sys­tem­ka­pa­zi­tä­ten, die vor allem Gewin­nungs­an­la­gen, Was­ser­wer­ke, Trans­port- und Ver­sor­gungs­lei­tun­gen sowie Spei­cher­be­häl­ter umfas­sen. Zu sei­nen Bezugs­quel­len kön­nen sowohl eige­ne Was­ser­res­sour­cen als auch der exter­ne Was­ser­be­zug von Vor­lie­fe­ran­ten zäh­len. Sei­ne Kun­den­grup­pen las­sen sich unter­schei­den in klas­si­sche Haus­halts­kun­den (HHK), klei­ne und mitt­le­re Nicht-Haus­halts­kun­den (NHHK; z. B. Ärz­te, Behör­den, Schu­len, Sport­ver­ei­ne etc.), gro­ße NHHK bzw. Son­der­kun­den (z. B. Landwirtschafts‑, Gewer­be- oder Indus­trie­be­trie­be) sowie Wei­ter­ver­tei­ler­kun­den (ande­re Was­ser­ver­sor­ger mit End­kun­den­kon­takt, d. h. der betrach­te­te Was­ser­ver­sor­ger tritt sei­ner­seits als Vor­lie­fe­rant auf).

Veränderungen zwingen zum Handeln

Dabei ist die­ses Bild des Öko­sys­tems nicht sta­tisch. Das bis­her genutz­te Dar­ge­bot kann aus quan­ti­ta­ti­ven oder qua­li­ta­ti­ven Grün­den unter Druck gera­ten. Nach­fra­ge­ver­än­de­run­gen der Bestands­kun­den – ob abso­lu­te Men­gen­ver­än­de­run­gen oder eine Anpas­sung des (sai­so­na­len) Abnah­me­ver­hal­tens – füh­ren mit­un­ter zu gro­ßen Aus­wir­kun­gen, die den Was­ser­ver­sor­ger res­sour­cen- oder auch kapa­zi­täts­sei­tig vor Her­aus­for­de­run­gen stel­len kön­nen. Gleich­zei­tig könn­te sich der Ver­sor­ger dazu ent­schlie­ßen, sei­ne Res­sour­cen­ver­füg­bar­keit durch den Zugriff auf wei­te­re Vor­lie­fe­ran­ten abzu­si­chern oder gar Brauch­was­ser­quel­len zu erschlie­ßen. Eben­so kann er mit Belie­fe­rungs­an­fra­gen neu­er Groß­kun­den oder Wei­ter­ver­tei­ler­kun­den kon­fron­tiert sein. Die Aus­wir­kun­gen des Kli­ma­wan­dels beein­flus­sen die­se Dyna­mik prin­zi­pi­ell nach­hal­tig – wir alle aber wis­sen: Die Bedin­gun­gen und Her­aus­for­de­run­gen für Was­ser­ver­sor­ger unter­schei­den sich stark, wes­we­gen auch die preis­po­li­ti­schen Emp­feh­lun­gen dif­fe­rie­ren.

Eine ers­te Grup­pe von Was­ser­ver­sor­gern mag res­sour­cen­sei­ti­ge Pro­ble­me haben. Sind die­se fun­da­men­ta­le­rer Natur, mag eine ange­bots­sei­ti­ge Aus­wei­tung durch Erschlie­ßen neu­er Quel­le oder den Anschluss an einen Fern­was­ser­ver­sor­ger unaus­weich­lich sein. Nicht sel­ten aber sind die Pro­ble­me „haus­ge­macht“. Über­steigt die Nach­fra­ge bei einem Was­ser­nach­fra­ger in einer Zeit­span­ne die erlaub­te Was­ser­ent­nah­me, so lie­ße sich durch preis­po­li­ti­sche Maß­nah­men Nach­fra­ge im Zeit­ver­lauf ver­schie­ben. Demand-Side-Manage­ment ist hier die Ant­wort und den meis­ten grö­ße­ren Kun­den aus dem Ener­gie­be­reich längst ein Begriff. Eher üblich im was­ser­wirt­schaft­li­chen Bereich aber ist, dass der Was­ser­ver­sor­ger sein Pro­blem „expor­tiert“. Er fragt bei sei­nem benach­bar­ten Was­ser­ver­sor­ger an, ob er ihn im Not­fall mit Was­ser belie­fern kön­ne. Er ist gar bereit, einen höhe­ren varia­blen Preis zu bezah­len als der­je­ni­ge, der gemein­hin gel­ten wür­de.

Vorsicht bei der Preisgestaltung

Ein sol­cher Ver­trag schreibt zum einen nicht die ein­gangs benann­te „Preis-Geschich­te“ fort, zum zwei­ten mag sich ein sol­cher Ver­trag für den im Not­fall Belie­fern­den als gefähr­lich her­aus­stel­len. Stra­te­gisch soll­te der im Not­fall zu belie­fern­de Was­ser­ver­sor­ger sich eben­so an der Leis­tungs­vor­hal­tung des Lie­fe­ran­ten betei­li­gen wie das im Fal­le des Sys­tem­preis­mo­dells für Tarif­kun­den auch der „nor­ma­le“ Kun­de tut. Dies wäre hin­sicht­lich der preis­po­li­ti­schen Argu­men­ta­ti­on kon­sis­tent. Wenn 80 % der Gesamt­kos­ten fixer Natur sind, so mag auch die fixe ent­gelt­li­che Belas­tung des zu belie­fern­den Kun­den in einer sol­chen Höhe lie­gen. Gege­be­nen­falls sogar nicht nur das: Die kon­kre­te Nach­fra­ge des um Not­ver­sor­gung ersu­chen­den Stadt­werks wird ins­be­son­de­re dann auf­tre­ten, wenn auch die Kun­den des Lie­fe­ran­ten ver­stärkt nach­fra­gen. Wenn in Fol­ge des­sen die was­ser­wirt­schaft­li­chen Anla­gen an kapa­zi­ta­ti­ve Gren­zen kom­men, ist das Pro­blem per­fekt. Ein sol­ches beschrie­be­nes Ver­hal­ten wäre blau­äu­gig, durch ange­pass­te preis­po­li­ti­sche Ver­ein­ba­run­gen aber zu umge­hen.

Im Sin­ne der Bezie­hun­gen des Was­ser­ver­sor­gers zu sei­nem Umfeld beob­ach­ten wir aber eben­falls Reak­tio­nen, die mög­li­cher­wei­se bei einer ande­ren Grup­pen von Stadt­wer­ken zu vor­sich­tig gewählt wären. Stel­len wir uns einen gro­ßen Nach­fra­ger vor, der sei­nen Was­ser­be­zug erhö­hen möch­te, einen Land­wir­ten, der kein Was­ser­recht bekommt und des­halb eine Anfra­ge an den Was­ser­ver­sor­ger stellt oder einen gänz­lich neu­en Nach­fra­ger, der bei­spiels­wei­se Was­ser für eine Was­ser­stoff­pro­duk­ti­on benö­tigt. Eine über den Som­mer unter­stell­te kon­stan­te Last einer sol­chen zusätz­li­chen Nach­fra­ge mag an bestimm­ten Tagen oder gar nur Stun­den Kapa­zi­täts- oder Ent­nah­me­gren­zen zu spren­gen dro­hen. Die Reak­ti­on des Was­ser­ver­sor­gers: Funk­tio­niert nicht. Der Bür­ger­meis­ter inter­ve­niert, im Zwei­fel wird dann ein Ver­trag mit undurch­dach­ten Preis­mo­del­len abge­schlos­sen und die gese­he­ne Gefahr tritt ein. Auch hier lie­ßen sich im Vor­hin­ein intel­li­gen­te­re Lösun­gen gestal­ten. Muss die neu ent­fal­te­te Nach­fra­ge wirk­lich zu jeder Zeit bedient wer­den oder aber haben (grö­ße­re) Bestands­kun­den Fle­xi­bi­li­tä­ten zur Nach­fra­ge­ver­schie­bung, die sie gegen Bezah­lung oder gerin­ge­re sons­ti­ge Ver­sor­gungs­kos­ten zie­hen könn­ten? Hier ist die Aus­gangs­si­tua­ti­on im Detail zu betrach­ten.  Funk­ti­ons­fä­hi­ge Lösun­gen las­sen sich unse­rer Erfah­rung nach immer gestal­ten. In der Kom­mu­ni­ka­ti­on wird die nicht sel­ten mit dem Umstieg auf ein Sys­tem­preis­mo­dell bei Tarif­kun­den begon­ne­ne Geschich­te sinn­haft und strin­gent fort­ge­schrie­ben.

 

Quellen:

Czichy, Chris­toph / Gen­d­ries, Sieg­fried und Mark Oel­mann (2023): „Zur Anpas­sung von Was­ser­preis­mo­del­len vor dem Hin­ter­grund aktu­el­ler Her­aus­for­de­run­gen – Teil 2: Preis­mo­dell­kom­po­nen­ten als Anreiz- und Steue­rungs­in­stru­men­te“, in: ener­gie | was­ser-pra­xis 09/2023, S. 34–42.

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