Theewaterskloof-Damm im März 2024

Zweiter Brief aus Kapstadt: Preisliche Anreize balancierten vielfältige Ziele aus

Theewaterskloof-Damm im März 2024

Einer unse­rer Was­ser­prei­spor­tal-Autoren, Prof. Dr. Mark Oel­mann, war für einen For­schungs­auf­ent­halt in Kap­stadt. Ein Ziel sei­ner drei­mo­na­ti­gen Mis­si­on nach Süd­afri­ka war der fach­li­che Aus­tausch zu Erfah­run­gen und Kon­zep­ten zur Was­ser­nach­fra­gelen­kung bei Was­ser­stress. Die­sen erleb­ten die Kap­städ­ter bekannt­lich in den Jah­ren 2017/18 als der „Day Zero“ droh­te – der Tag ohne Was­ser. In nach­fol­gen­dem „Brief aus Kap­stadt“ beschreibt er sei­ne gewon­ne­nen Erkennt­nis­se.

„In mei­nem letz­ten Brief habe ich die Bedro­hungs­la­ge Kap­stadts in Fol­ge aus­blei­ben­der Nie­der­schlä­ge beschrie­ben. Zwi­schen 2014 und 2017 reg­ne­te es weit unter­durch­schnitt­lich, gleich­zei­tig schaff­te man es nicht hin­rei­chend schnell, aus­rei­chend alter­na­ti­ve Was­ser­quel­len zu erschlie­ßen. Nach­fra­ge­sei­tig muss­te etwas gesche­hen: Mit einer Kom­bi­na­ti­on aus Infor­ma­ti­on, posi­ti­ver Moti­va­ti­on, der öffent­li­chen Bekannt­ma­chung von Was­ser­ver­schwen­dern, Druck­ver­min­de­rung in den Net­zen, inno­va­ti­ven Preis­mo­del­len, Moni­to­ring und Sank­tio­nen schaff­te man es tat­säch­lich, die Nach­fra­ge um gut 55 % zu ver­rin­gern. Ein tat­säch­lich beein­dru­cken­der Wert! Und den­noch blieb es bis zum Schluss span­nend, ob der sog. „Day Zero“ Mit­te April 2018 nicht doch ein­trat. Dann näm­lich wäre die Ver­sor­gung über die kom­mu­na­len Net­ze aus­ge­setzt wor­den und Bür­ger hät­ten sich mit­tels Kanis­tern bis zu 25 l pro Per­son und Tag an 200 Aus­ga­be­stel­len im Stadt­ge­biet abho­len müs­sen.

Im Ergeb­nis wur­de alles gut: Nie­der­schlä­ge fie­len wie­der und die Pegel der Tal­sper­ren, aus denen zu die­ser Zeit über 90 % des Trink­was­sers gewon­nen wur­de, stie­gen. Bin­nen der nächs­ten 10 Jah­re wer­den fol­ge­rich­tig nun die Gewin­nungs­quel­len diver­si­fi­ziert (Meer­was­ser­ent­sal­zung, Water Reu­se, Grund­was­ser­för­de­rung…). Dies soll uns nun aber aktu­ell hier weni­ger inter­es­sie­ren. Mei­nen Fokus will ich auf das Instru­ment der preis­li­chen Anrei­ze legen, die genutzt wur­den, um Was­ser­nach­fra­ge zu ver­min­dern. Ich möch­te Sie und Euch mit hin­ein­neh­men in die Über­le­gun­gen, wett­strei­ten­den Inter­es­sen und final getrof­fe­nen poli­ti­schen Ent­schei­dun­gen.

1. Kapstadt hat ein immenses Armutsproblem – Wasser blieb für Bedürftige kostenfrei

Der sog. Gini-Koef­fi­zi­ent ist das Maß, mit Hil­fe des­sen Län­der hin­sicht­lich ihrer Ein­kom­mens- oder Ver­mö­gens­ver­tei­lung ver­gli­chen wer­den. Der Wert kann dabei zwi­schen 0 (abso­lu­te Gleich­ver­tei­lung) und 1 (abso­lu­te Ungleich­ver­tei­lung) lie­gen. In die­sem Ran­king weist die Slo­wa­kei mit 0,23 die größ­te Gleich­ver­tei­lung aller Län­der auf, für Deutsch­land wird ein Wert von 0,31 aus­ge­wie­sen und Süd­afri­ka bil­det das welt­wei­te Schluss­licht mit 0,63. Hin­zu kommt eine Erwerbs­lo­sen­quo­te von gut 28 % und eine Jugend­ar­beits­lo­sig­keit von nahe­zu 50 % (2022, desta­tis).

Nun hat Süd­afri­ka zwei „Arten von Armen“. Die Einen leben in infor­mel­len Sied­lun­gen. Hier wer­den die Men­schen über kom­mu­na­le Zapf­stel­len ver­sorgt. Die Abga­be wur­de men­gen­mä­ßig beschränkt, blieb aber über die gesam­te Zeit der Was­ser­kri­se hin­durch kos­ten­frei. Glei­ches galt für die zwei­te Grup­pe: Wur­de jemand als bedürf­tig aner­kannt (Monats­ein­kom­men von unter 3500 Rand = ca. 238 € [Wech­sel­kurs per März 2018]), erhielt die­ser Anschluss 10,5 m³ pro Monat (dies ent­spricht 50 l pro Per­son und Tag bei einer unter­stell­ten Haus­halts­grö­ße von 7 Per­so­nen [Durch­schnitts­ge­brauch in Deutsch­land rd. 125 l]) eben­falls umsonst. Über die­se Men­ge hin­aus muss­ten auch bedürf­ti­ge Haus­hal­te die nor­ma­len Was­ser­prei­se zah­len.

2. Für Nicht-Bedürftige wurden die Freimengen gestrichen

Vor der Kri­se erhielt jeder Haus­halt, unab­hän­gig von Ein­kom­men oder Ver­mö­gen, 6 m³ pro Monat kos­ten­frei. Dies wur­de 2017 für alle Haus­hal­te, die eine Bedürf­tig­keit nicht nach­wei­sen konn­ten, ersatz­los gestri­chen.

3. Preise veränderten sich in Abhängigkeit der Füllstände der Staudämme

Kap­stadt bezog den Groß­teil sei­nes Trink­was­ser aus Roh­was­ser aus Stau­däm­men. Aus­blei­ben­der Regen führ­te wie beschrie­ben zu sin­ken­den Pegel­stän­den, was die Was­ser­kri­se her­vor­rief. Kon­se­quen­ter­wei­se wur­den die Prei­se an die Pegel­stän­de gekop­pelt. Die unten­ste­hen­de Abbil­dung zeigt, dass zum 01.01.2016 auf das Level 2, zum 01.11.2016 auf das Level 3 und zum 01.02.2018 auf das Level 6 umge­schal­tet wur­de. Was hieß das kon­kret? Ein Haus­halt bezahl­te dem­nach ab dem 1.2.2018 bei einem Ver­brauch von mehr als 10,5 m³ pro Monat (=10.500 l) ca. 7,80 €/m³ und bei mehr als 35,0 m³ pro Monat sogar 68,- €/m³ (zum Ver­gleich: rd. 10,5 m³ pro Monat ver­braucht auch ein dt. Ein­fa­mi­li­en­haus).

In Kap­stadt sprach man vom „puni­ti­ve pri­cing“, der „bestra­fen­den Beprei­sung“. Die­ser sehr hohen Nach­fra­ge – etwa zur Pool­be­fül­lung oder exzes­si­ven Gar­ten­be­wäs­se­rung – soll­te also maxi­mal begeg­net wer­den. Aber auch in den unte­ren Ver­brauchs­klas­sen waren die Belas­tungs­sprün­ge pro m³ beträcht­lich. In Stu­fe 2 erhöh­ten sich die Prei­se pro m³ zwi­schen Level 1 und Level 6 um 525 %
auf umge­rech­net 3,15 €/m³ und in Stu­fe 3 um nahe­zu 800 % auf 6,85 €/m³.

Abb. 1: Was­ser­prei­se für Haus­halt­kun­den in Kap­stadt
Quel­le: City of Cape­town (2018) mit eige­nen Ergän­zun­gen

 

Und wie ent­wi­ckel­ten sich die Prei­se für Indus­trie, Gewer­be, öffent­li­che Ein­rich­tun­gen etc.? Hier­auf gibt die fol­gen­de Abbil­dung eine Ant­wort.

Abb. 2: Was­ser­prei­se für Indus­trie, Gewer­be, öffentl. Ein­richt. etc. in Kap­stadt
Quel­le: City of Cape­town (2018) mit eige­nen Ergän­zun­gen

Schein­bar soll­ten die Nicht-Haus­halts­kun­den nicht „ver­prellt“ wer­den. Ihre Prei­se ver­dop­pel­ten sich wohl auch zwi­schen Level 1 und Level 6 auf dann 3,06 €/m³ – ähn­lich dem Level 6‑Preis der Stu­fe 2 bei den Haus­halts­kun­den mit 3,15 €/m³. Wäh­rend man folg­lich in „Nor­mal­jah­ren“ der Idee der Incre­asing Block Tariffs folgt und Nicht-Haus­halts­kun­den höher als Haus­halts­kun­den in unte­ren Nach­fra­ge­seg­men­ten belas­tet, schont man die­se in die­sen Not­zei­ten mehr.

Und heu­te? Die Prei­se haben sich sowohl in Höhe als auch Struk­tur wie­der in Rich­tung frü­he­rer Gege­ben­hei­ten zurück­ent­wi­ckelt. Die Prei­se für Nicht­haus­halts­kun­den lie­gen mit 38 Rand pro m³ (= 1,85 €) wie­der signi­fi­kant über den 21 Rand/m³ (= 1,02 €/m³) für die unters­te Nach­fra­ge­men­ge bei Haus­halts­kun­den. Inter­es­sant ist Fol­gen­des: Durch die zurück­ge­hen­de Nach­fra­ge ver­rin­ger­ten sich die Ein­nah­men des Was­ser­ver­sor­gers. In Kom­bi­na­ti­on mit dem anste­hen­den höhe­ren Inves­ti­ti­ons­be­darf wur­de das Ziel der Erlös­sta­bi­li­sie­rung bedeut­sa­mer. In Fol­ge des­sen wur­de Mit­te Mai 2018 nur vier Wochen nach Errei­chen des Höhe­punkts der Ver­sor­gungs­kri­se ein fixer Sys­tem- oder Grund­preis als wei­te­re Preis­mo­dell­kom­po­nen­te ein­ge­führt. So anders sind die Dis­kus­sio­nen in Deutsch­land und Süd­afri­ka dann doch nicht…“

Quellen:

Bei­trags­fo­to: Thee­wa­ter­s­kloof-Damm März 2024 (Oel­mann)