Erster Brief aus Kapstadt: Wie Kapstadt den Day-Zero bei der Wasserversorgung verhinderte
Einer unserer Wasserpreisportal-Autoren, Prof. Dr. Mark Oelmann, hält sich zur Zeit in Kapstadt auf. Ein Ziel seiner dreimonatigen Mission nach Südafrika ist der fachliche Austausch zu Erfahrungen und Konzepten zur Wassernachfragelenkung bei Wasserstress. Diesen erlebten die Kapstädter bekanntlich in den Jahren 2017/18 als der „Day Zero“ drohte – der Tag ohne Wasser. In nachfolgendem „Brief aus Kapstadt“ beschreibt er seine gewonnenen Erkenntnisse.
„In den vergangenen Jahren war ich in Wasserfragen in vielen außereuropäischen Ländern – insbesondere in Afrika und im Nahen Osten – beratend tätig. Nicht von ungefähr werde ich nun auch in Bezug auf meinen Aufenthalt in Kapstadt gefragt, bei welchen Fragen ich denn unterstütze. Tatsächlich: Gar nicht! Ich schaue, diskutiere, lerne, lasse mich inspirieren.
Wasserwirtschaftliche Anpassungen an die Klimawandel-Herausforderungen sind unverzichtbar
Wobei? Nun, festzustellen ist, dass der Klimawandel uns in Deutschland ebenso wie in Südafrika Anpassungsleistungen abverlangt. Längere Dürrezeiten gepaart mit Hitzeperioden, Starkniederschläge oder – wie in den vergangenen Monaten in Deutschland zu verzeichnen – langanhaltende Niederschlagsphasen erfordern eine Flexibilität, neudeutsch Resilienz. Konzentrieren wir uns auf die mit Trockenheit einhergehenden Herausforderungen, haben wir es erstens mit dem Problem ansteigender Spitzenlasten bei der Wassernachfrage und damit möglicherweise nicht ausreichender Kapazitäten in den wasserwirtschaftlichen Anlagen zu tun, zweitens kann auch einfach das Wasser regional knapp werden.
Der relativ normale Reflex ist das Ausbauen der Kapazitäten. Dies aber ist mit Investitionskosten verbunden und unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten mindestens fraglich. Als Ökonom rate ich, die Nachfrageseite mit in den Blick zu nehmen. Bei der Thematik der ansteigenden Spitzenlasten sind wir hier sowohl forschend an der Hochschule Ruhr West (HRW) in Mülheim an der Ruhr als auch beratend mit MOcons schon gut unterwegs: Über lastorientierte und insbesondere dynamische Preise können wir Kunden Anreize geben, ihre Nachfrage von Hochlast- in Niedriglastfenster zu verschieben. Diese 3, 4 oder 5 % Mengentransfer einzelner Kunden liefert die Sicherheit für die große Masse der Kunden. So lassen sich das Versprechen der Versorgungssicherheit halten und gleichzeitig teure Investitionskosten sparen.
Historische Trockenheit bringt Kapstadt an den Rand des „Tag ohne Wassers“
Weniger Erfahrung haben wir, wie wir mit nachfrageseitigen Maßnahmen auf Wasserknappheiten reagieren. Klar: Ist zu erwarten, dass diese Wasserdargebotsprobleme anhalten, ist sich angebotsseitig zu diversifizieren. Auch Kapstadt reagiert auf die Day-Zero-Erfahrungen aus dem Jahr 2018 und investiert nun in Grundwasserförderung, Meerwasserentsalzung und Water-Reuse. Nachfrageseitige Maßnahmen können aber auch hier helfen, weil nicht selten Wassermangellagen einen Episodencharakter haben. Genau mit diesen nachfrageseitigen Maßnahmen hat man in Kapstadt vielfältige Erfahrungen gesammelt und deswegen bin ich nun für drei Monate am Future Water Institute der Universität Kapstadt.
Die Jahre 2015 bis 2018 waren durch eine Trockenheit gekennzeichnet, die statistisch unter Nutzung der historischen Daten lediglich alle 590 Jahre auftritt. Zudem bezog die Region den Großteil ihres Rohwassers aus Talsperren der Umgebung, deren Füllstand sank, je weniger es regnete. Hinzu kamen politische Animositäten auf nationaler und regionaler Ebene. Die Partei Democratic Alliance (DA) auf regionaler Ebene missgönnte dem ANC auf nationaler Ebene, von der Lösung der Kapstädter Wasserprobleme mitzuprofitieren. Im Ergebnis befand man sich folglich in einer Situation, in der zwangsläufig nachfrageseitig reagiert werden musste.
Beeinflussung der Wassernachfrage kann Ressourcenüberlastung dämpfen
Und wie dies gelang: Bis zum Mai 2018 konnte die Nachfrage um 55 % gesenkt werden – von 1,2 Mrd. m³ 2014 auf rd. 500 Mio. m³ im Jahr 2018. Viele der Maßnahmen – zusammengefasst in untenstehender Abbildung – erscheinen uns insbesondere unter Datenschutzgesichtspunkten kritisch. Sie seien hier dennoch knapp beschrieben:
- Wie viele Regionen mit startenden Wassermangelproblemen begann auch Kapstadt mit der Einschränkung der Nutzungen. Gartenbewässerung war zunächst an zwei Tagen pro Woche, dann an einem Tag pro Woche, sodann nur noch mit Eimern und final gar nicht mehr erlaubt. Poolbefüllungen und Autowäsche wurde im Zeitverlauf ebenfalls untersagt. Mitarbeitende der Stadt überwachten die Einhaltung der Vorgaben. Fehlverhalten wurde sanktioniert.
- Begleitet wurden diese Ge- und Verbote durch Preismodelle, die gleichzeitig die Bezahlbarkeit von Wasser als Lebensmittel Nr. 1 gewährleisteten. Ein besonderes Unterfangen in einem Land, das wie kein anderes auf der Welt von Einkommens- und Vermögensungleichheit geprägt ist (Gini-Koeffizient von 0,63).
- Eine dritte Säule nachfrageseitiger Maßnahmen lag im Bereich der Kommunikation und Information. Von drei Phasen wird hier berichtet. Während in der ersten Phase die Bürgerinnen und Bürger für ihr Wassersparverhalten gelobt und Wasserspartipps gegeben wurden, wirken insbesondere die zweite und dritte Phase auf uns befremdlich. Vielverbraucher erhielten Briefe, sie hätten ihre Nachfrage einzuschränken, andernfalls werde ihnen eine Drossel eingebaut. Die 100 größten Verbraucher in der Gruppe der Haushaltskunden wurden im Februar 2017 in der Tageszeitung unter Angabe des Straßennamens veröffentlicht. Eine City Water Map machte für jeden abrufbar, ob der Nachbar zu viel Wasser für sich beanspruchte. Die letzte Phase wurde dann durch die „Day-Zero“-Kampagne eingeläutet. Mitte Januar 2018 verkündete die damalige Bürgermeisterin von Kapstadt, Patricia de Lille, zum 21.4.2018 würde die Versorgung in den Häusern eingestellt und fortan müsse sich jede und jeder für Wasser an einer der 200 öffentlichen Zapfsäulen anstellen. Im Vorfeld wurden einzelne solcher Ausgabestellen bereits aufgebaut, was einen plastischen Eindruck zur bevorstehenden Katastrophe vermittelte.
- Eine nicht unwichtige Maßnahme war abschließend die Druckreduzierung. Auf diese Weise ließen sich Wasserverluste relativ vermindern.
„Nachfrageseitige Maßnahmen Kapstadt“
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Brühl/Visser (2021) u. Villiers (2017)
Maßnahmen waren letztendlich erfolgreich
Und wie ging die Geschichte aus? Im Ergebnis hätten die Talsperren noch bis auf einen Füllstand von minimal 13 % sinken können. Bei 18 % Füllstand wurde die Kehrtwende erreicht. Dank einsetzender Winterniederschläge konnte der „Day Zero“ zunächst abgesagt werden.
Was bleibt? Sicherlich wird man erst dann zu ähnlich weitreichenden Maßnahmen greifen, wenn die Umstände dies unabänderlich erfordern. Dies ist für Deutschland nicht zu erkennen. Gleichzeitig zeigt Kapstadt, dass sich die Nachfrage substantiell beeinflussen lässt. Die Kombination aus Information, positiver Motivation, innovativen Preismodellen und Monitoring scheint gleichwohl zielführend. Insbesondere mehr smarte Zähler sowie Prognosen zu Angebot und Nachfrage mittels KI helfen, Kundinnen und Kunden „mitzunehmen“. Tatsächlich meine ich, dass wir als Wasserversorgung für die Bürgerinnen und Bürger in Zeiten zunehmender Klimwandelherausforderungen nicht die „Rundum-Sorglos-Versicherung“ sein müssen. In wirklichen Ausnahmefällen zeigt Kapstadt, dass wir auf die Bürgerinnen und Bürger zählen können. Wenn wir auch im Sinne der Nachhaltigkeit mit Augenmaß investieren, wird eine marginale Qualitätseinbuße gut vermittelbar sein. Ein solcher sich dann einstellender Dialog mit unserer Kundschaft mag gar Chancen beinhalten.“
Quellen:
Beitragsfoto: Theewaterskloof-Damm März 2024 (Oelmann)