Schlagwortarchiv für: Wassernachfrage

Zweiter Brief aus Kapstadt: Preisliche Anreize balancierten vielfältige Ziele aus

Theewaterskloof-Damm im März 2024

Einer unse­rer Was­ser­prei­spor­tal-Autoren, Prof. Dr. Mark Oel­mann, war für einen For­schungs­auf­ent­halt in Kap­stadt. Ein Ziel sei­ner drei­mo­na­ti­gen Mis­si­on nach Süd­afri­ka war der fach­li­che Aus­tausch zu Erfah­run­gen und Kon­zep­ten zur Was­ser­nach­fra­gelen­kung bei Was­ser­stress. Die­sen erleb­ten die Kap­städ­ter bekannt­lich in den Jah­ren 2017/18 als der „Day Zero“ droh­te – der Tag ohne Was­ser. In nach­fol­gen­dem „Brief aus Kap­stadt“ beschreibt er sei­ne gewon­ne­nen Erkennt­nis­se.

„In mei­nem letz­ten Brief habe ich die Bedro­hungs­la­ge Kap­stadts in Fol­ge aus­blei­ben­der Nie­der­schlä­ge beschrie­ben. Zwi­schen 2014 und 2017 reg­ne­te es weit unter­durch­schnitt­lich, gleich­zei­tig schaff­te man es nicht hin­rei­chend schnell, aus­rei­chend alter­na­ti­ve Was­ser­quel­len zu erschlie­ßen. Nach­fra­ge­sei­tig muss­te etwas gesche­hen: Mit einer Kom­bi­na­ti­on aus Infor­ma­ti­on, posi­ti­ver Moti­va­ti­on, der öffent­li­chen Bekannt­ma­chung von Was­ser­ver­schwen­dern, Druck­ver­min­de­rung in den Net­zen, inno­va­ti­ven Preis­mo­del­len, Moni­to­ring und Sank­tio­nen schaff­te man es tat­säch­lich, die Nach­fra­ge um gut 55 % zu ver­rin­gern. Ein tat­säch­lich beein­dru­cken­der Wert! Und den­noch blieb es bis zum Schluss span­nend, ob der sog. „Day Zero“ Mit­te April 2018 nicht doch ein­trat. Dann näm­lich wäre die Ver­sor­gung über die kom­mu­na­len Net­ze aus­ge­setzt wor­den und Bür­ger hät­ten sich mit­tels Kanis­tern bis zu 25 l pro Per­son und Tag an 200 Aus­ga­be­stel­len im Stadt­ge­biet abho­len müs­sen.

Im Ergeb­nis wur­de alles gut: Nie­der­schlä­ge fie­len wie­der und die Pegel der Tal­sper­ren, aus denen zu die­ser Zeit über 90 % des Trink­was­sers gewon­nen wur­de, stie­gen. Bin­nen der nächs­ten 10 Jah­re wer­den fol­ge­rich­tig nun die Gewin­nungs­quel­len diver­si­fi­ziert (Meer­was­ser­ent­sal­zung, Water Reu­se, Grund­was­ser­för­de­rung…). Dies soll uns nun aber aktu­ell hier weni­ger inter­es­sie­ren. Mei­nen Fokus will ich auf das Instru­ment der preis­li­chen Anrei­ze legen, die genutzt wur­den, um Was­ser­nach­fra­ge zu ver­min­dern. Ich möch­te Sie und Euch mit hin­ein­neh­men in die Über­le­gun­gen, wett­strei­ten­den Inter­es­sen und final getrof­fe­nen poli­ti­schen Ent­schei­dun­gen.

1. Kapstadt hat ein immenses Armutsproblem – Wasser blieb für Bedürftige kostenfrei

Der sog. Gini-Koef­fi­zi­ent ist das Maß, mit Hil­fe des­sen Län­der hin­sicht­lich ihrer Ein­kom­mens- oder Ver­mö­gens­ver­tei­lung ver­gli­chen wer­den. Der Wert kann dabei zwi­schen 0 (abso­lu­te Gleich­ver­tei­lung) und 1 (abso­lu­te Ungleich­ver­tei­lung) lie­gen. In die­sem Ran­king weist die Slo­wa­kei mit 0,23 die größ­te Gleich­ver­tei­lung aller Län­der auf, für Deutsch­land wird ein Wert von 0,31 aus­ge­wie­sen und Süd­afri­ka bil­det das welt­wei­te Schluss­licht mit 0,63. Hin­zu kommt eine Erwerbs­lo­sen­quo­te von gut 28 % und eine Jugend­ar­beits­lo­sig­keit von nahe­zu 50 % (2022, desta­tis).

Nun hat Süd­afri­ka zwei „Arten von Armen“. Die Einen leben in infor­mel­len Sied­lun­gen. Hier wer­den die Men­schen über kom­mu­na­le Zapf­stel­len ver­sorgt. Die Abga­be wur­de men­gen­mä­ßig beschränkt, blieb aber über die gesam­te Zeit der Was­ser­kri­se hin­durch kos­ten­frei. Glei­ches galt für die zwei­te Grup­pe: Wur­de jemand als bedürf­tig aner­kannt (Monats­ein­kom­men von unter 3500 Rand = ca. 238 € [Wech­sel­kurs per März 2018]), erhielt die­ser Anschluss 10,5 m³ pro Monat (dies ent­spricht 50 l pro Per­son und Tag bei einer unter­stell­ten Haus­halts­grö­ße von 7 Per­so­nen [Durch­schnitts­ge­brauch in Deutsch­land rd. 125 l]) eben­falls umsonst. Über die­se Men­ge hin­aus muss­ten auch bedürf­ti­ge Haus­hal­te die nor­ma­len Was­ser­prei­se zah­len.

2. Für Nicht-Bedürftige wurden die Freimengen gestrichen

Vor der Kri­se erhielt jeder Haus­halt, unab­hän­gig von Ein­kom­men oder Ver­mö­gen, 6 m³ pro Monat kos­ten­frei. Dies wur­de 2017 für alle Haus­hal­te, die eine Bedürf­tig­keit nicht nach­wei­sen konn­ten, ersatz­los gestri­chen.

3. Preise veränderten sich in Abhängigkeit der Füllstände der Staudämme

Kap­stadt bezog den Groß­teil sei­nes Trink­was­ser aus Roh­was­ser aus Stau­däm­men. Aus­blei­ben­der Regen führ­te wie beschrie­ben zu sin­ken­den Pegel­stän­den, was die Was­ser­kri­se her­vor­rief. Kon­se­quen­ter­wei­se wur­den die Prei­se an die Pegel­stän­de gekop­pelt. Die unten­ste­hen­de Abbil­dung zeigt, dass zum 01.01.2016 auf das Level 2, zum 01.11.2016 auf das Level 3 und zum 01.02.2018 auf das Level 6 umge­schal­tet wur­de. Was hieß das kon­kret? Ein Haus­halt bezahl­te dem­nach ab dem 1.2.2018 bei einem Ver­brauch von mehr als 10,5 m³ pro Monat (=10.500 l) ca. 7,80 €/m³ und bei mehr als 35,0 m³ pro Monat sogar 68,- €/m³ (zum Ver­gleich: rd. 10,5 m³ pro Monat ver­braucht auch ein dt. Ein­fa­mi­li­en­haus).

In Kap­stadt sprach man vom „puni­ti­ve pri­cing“, der „bestra­fen­den Beprei­sung“. Die­ser sehr hohen Nach­fra­ge – etwa zur Pool­be­fül­lung oder exzes­si­ven Gar­ten­be­wäs­se­rung – soll­te also maxi­mal begeg­net wer­den. Aber auch in den unte­ren Ver­brauchs­klas­sen waren die Belas­tungs­sprün­ge pro m³ beträcht­lich. In Stu­fe 2 erhöh­ten sich die Prei­se pro m³ zwi­schen Level 1 und Level 6 um 525 %
auf umge­rech­net 3,15 €/m³ und in Stu­fe 3 um nahe­zu 800 % auf 6,85 €/m³.

Abb. 1: Was­ser­prei­se für Haus­halt­kun­den in Kap­stadt
Quel­le: City of Cape­town (2018) mit eige­nen Ergän­zun­gen

 

Und wie ent­wi­ckel­ten sich die Prei­se für Indus­trie, Gewer­be, öffent­li­che Ein­rich­tun­gen etc.? Hier­auf gibt die fol­gen­de Abbil­dung eine Ant­wort.

Abb. 2: Was­ser­prei­se für Indus­trie, Gewer­be, öffentl. Ein­richt. etc. in Kap­stadt
Quel­le: City of Cape­town (2018) mit eige­nen Ergän­zun­gen

Schein­bar soll­ten die Nicht-Haus­halts­kun­den nicht „ver­prellt“ wer­den. Ihre Prei­se ver­dop­pel­ten sich wohl auch zwi­schen Level 1 und Level 6 auf dann 3,06 €/m³ – ähn­lich dem Level 6‑Preis der Stu­fe 2 bei den Haus­halts­kun­den mit 3,15 €/m³. Wäh­rend man folg­lich in „Nor­mal­jah­ren“ der Idee der Incre­asing Block Tariffs folgt und Nicht-Haus­halts­kun­den höher als Haus­halts­kun­den in unte­ren Nach­fra­ge­seg­men­ten belas­tet, schont man die­se in die­sen Not­zei­ten mehr.

Und heu­te? Die Prei­se haben sich sowohl in Höhe als auch Struk­tur wie­der in Rich­tung frü­he­rer Gege­ben­hei­ten zurück­ent­wi­ckelt. Die Prei­se für Nicht­haus­halts­kun­den lie­gen mit 38 Rand pro m³ (= 1,85 €) wie­der signi­fi­kant über den 21 Rand/m³ (= 1,02 €/m³) für die unters­te Nach­fra­ge­men­ge bei Haus­halts­kun­den. Inter­es­sant ist Fol­gen­des: Durch die zurück­ge­hen­de Nach­fra­ge ver­rin­ger­ten sich die Ein­nah­men des Was­ser­ver­sor­gers. In Kom­bi­na­ti­on mit dem anste­hen­den höhe­ren Inves­ti­ti­ons­be­darf wur­de das Ziel der Erlös­sta­bi­li­sie­rung bedeut­sa­mer. In Fol­ge des­sen wur­de Mit­te Mai 2018 nur vier Wochen nach Errei­chen des Höhe­punkts der Ver­sor­gungs­kri­se ein fixer Sys­tem- oder Grund­preis als wei­te­re Preis­mo­dell­kom­po­nen­te ein­ge­führt. So anders sind die Dis­kus­sio­nen in Deutsch­land und Süd­afri­ka dann doch nicht…“

Quellen:

Bei­trags­fo­to: Thee­wa­ter­s­kloof-Damm März 2024 (Oel­mann)

Erster Brief aus Kapstadt: Wie Kapstadt den Day-Zero bei der Wasserversorgung verhinderte

Theewaterskloof-Damm im März 2024

Einer unse­rer Was­ser­prei­spor­tal-Autoren, Prof. Dr. Mark Oel­mann, hält sich zur Zeit in Kap­stadt auf. Ein Ziel sei­ner drei­mo­na­ti­gen Mis­si­on nach Süd­afri­ka ist der fach­li­che Aus­tausch zu Erfah­run­gen und Kon­zep­ten zur Was­ser­nach­fra­gelen­kung bei Was­ser­stress. Die­sen erleb­ten die Kap­städ­ter bekannt­lich in den Jah­ren 2017/18 als der „Day Zero“ droh­te – der Tag ohne Was­ser. In nach­fol­gen­dem „Brief aus Kap­stadt“ beschreibt er sei­ne gewon­ne­nen Erkennt­nis­se.

„In den ver­gan­ge­nen Jah­ren war ich in Was­ser­fra­gen in vie­len außer­eu­ro­päi­schen Län­dern – ins­be­son­de­re in Afri­ka und im Nahen Osten – bera­tend tätig. Nicht von unge­fähr wer­de ich nun auch in Bezug auf mei­nen Auf­ent­halt in Kap­stadt gefragt, bei wel­chen Fra­gen ich denn unter­stüt­ze. Tat­säch­lich: Gar nicht! Ich schaue, dis­ku­tie­re, ler­ne, las­se mich inspi­rie­ren.

Wasserwirtschaftliche Anpassungen an die Klimawandel-Herausforderungen sind unverzichtbar

Wobei? Nun, fest­zu­stel­len ist, dass der Kli­ma­wan­del uns in Deutsch­land eben­so wie in Süd­afri­ka Anpas­sungs­leis­tun­gen abver­langt. Län­ge­re Dür­re­zei­ten gepaart mit Hit­ze­pe­ri­oden, Stark­nie­der­schlä­ge oder – wie in den ver­gan­ge­nen Mona­ten in Deutsch­land zu ver­zeich­nen – lang­an­hal­ten­de Nie­der­schlags­pha­sen erfor­dern eine Fle­xi­bi­li­tät, neu­deutsch Resi­li­enz. Kon­zen­trie­ren wir uns auf die mit Tro­cken­heit ein­her­ge­hen­den Her­aus­for­de­run­gen, haben wir es ers­tens mit dem Pro­blem anstei­gen­der Spit­zen­las­ten bei der Was­ser­nach­fra­ge und damit mög­li­cher­wei­se nicht aus­rei­chen­der Kapa­zi­tä­ten in den was­ser­wirt­schaft­li­chen Anla­gen zu tun, zwei­tens kann auch ein­fach das Was­ser regio­nal knapp wer­den.

Der rela­tiv nor­ma­le Reflex ist das Aus­bau­en der Kapa­zi­tä­ten. Dies aber ist mit Inves­ti­ti­ons­kos­ten ver­bun­den und unter Nach­hal­tig­keits­ge­sichts­punk­ten min­des­tens frag­lich. Als Öko­nom rate ich, die Nach­fra­ge­sei­te mit in den Blick zu neh­men. Bei der The­ma­tik der anstei­gen­den Spit­zen­las­ten sind wir hier sowohl for­schend an der Hoch­schu­le Ruhr West (HRW) in Mül­heim an der Ruhr als auch bera­tend mit MOcons schon gut unter­wegs: Über las­t­ori­en­tier­te und ins­be­son­de­re dyna­mi­sche Prei­se kön­nen wir Kun­den Anrei­ze geben, ihre Nach­fra­ge von Hoch­last- in Nied­rig­last­fens­ter zu ver­schie­ben. Die­se 3, 4 oder 5 % Men­gen­trans­fer ein­zel­ner Kun­den lie­fert die Sicher­heit für die gro­ße Mas­se der Kun­den. So las­sen sich das Ver­spre­chen der Ver­sor­gungs­si­cher­heit hal­ten und gleich­zei­tig teu­re Inves­ti­ti­ons­kos­ten spa­ren.

Historische Trockenheit bringt Kapstadt an den Rand des „Tag ohne Wassers“

Weni­ger Erfah­rung haben wir, wie wir mit nach­fra­ge­sei­ti­gen Maß­nah­men auf Was­ser­knapp­hei­ten reagie­ren. Klar: Ist zu erwar­ten, dass die­se Was­serd­ar­ge­bots­pro­ble­me anhal­ten, ist sich ange­bots­sei­tig zu diver­si­fi­zie­ren. Auch Kap­stadt reagiert auf die Day-Zero-Erfah­run­gen aus dem Jahr 2018 und inves­tiert nun in Grund­was­ser­för­de­rung, Meer­was­ser­ent­sal­zung und Water-Reu­se. Nach­fra­ge­sei­ti­ge Maß­nah­men kön­nen aber auch hier hel­fen, weil nicht sel­ten Was­ser­man­gel­la­gen einen Epi­so­den­cha­rak­ter haben. Genau mit die­sen nach­fra­ge­sei­ti­gen Maß­nah­men hat man in Kap­stadt viel­fäl­ti­ge Erfah­run­gen gesam­melt und des­we­gen bin ich nun für drei Mona­te am Future Water Insti­tu­te der Uni­ver­si­tät Kap­stadt.

Die Jah­re 2015 bis 2018 waren durch eine Tro­cken­heit gekenn­zeich­net, die sta­tis­tisch unter Nut­zung der his­to­ri­schen Daten ledig­lich alle 590 Jah­re auf­tritt. Zudem bezog die Regi­on den Groß­teil ihres Roh­was­sers aus Tal­sper­ren der Umge­bung, deren Füll­stand sank, je weni­ger es reg­ne­te. Hin­zu kamen poli­ti­sche Ani­mo­si­tä­ten auf natio­na­ler und regio­na­ler Ebe­ne. Die Par­tei Demo­cra­tic Alli­ance (DA) auf regio­na­ler Ebe­ne miss­gönn­te dem ANC auf natio­na­ler Ebe­ne, von der Lösung der Kap­städ­ter Was­ser­pro­ble­me mit­zu­pro­fi­tie­ren. Im Ergeb­nis befand man sich folg­lich in einer Situa­ti­on, in der zwangs­läu­fig nach­fra­ge­sei­tig reagiert wer­den muss­te.

Beeinflussung der Wassernachfrage kann Ressourcenüberlastung dämpfen

Und wie dies gelang: Bis zum Mai 2018 konn­te die Nach­fra­ge um 55 % gesenkt wer­den – von 1,2 Mrd. m³ 2014 auf rd. 500 Mio. m³ im Jahr 2018. Vie­le der Maß­nah­men – zusam­men­ge­fasst in unten­ste­hen­der Abbil­dung – erschei­nen uns ins­be­son­de­re unter Daten­schutz­ge­sichts­punk­ten kri­tisch. Sie sei­en hier den­noch knapp beschrie­ben:

  • Wie vie­le Regio­nen mit star­ten­den Was­ser­man­gel­pro­ble­men begann auch Kap­stadt mit der Ein­schrän­kung der Nut­zun­gen. Gar­ten­be­wäs­se­rung war zunächst an zwei Tagen pro Woche, dann an einem Tag pro Woche, sodann nur noch mit Eimern und final gar nicht mehr erlaubt. Pool­be­fül­lun­gen und Auto­wä­sche wur­de im Zeit­ver­lauf eben­falls unter­sagt. Mit­ar­bei­ten­de der Stadt über­wach­ten die Ein­hal­tung der Vor­ga­ben. Fehl­ver­hal­ten wur­de sank­tio­niert.
  • Beglei­tet wur­den die­se Ge- und Ver­bo­te durch Preis­mo­del­le, die gleich­zei­tig die Bezahl­bar­keit von Was­ser als Lebens­mit­tel Nr. 1 gewähr­leis­te­ten. Ein beson­de­res Unter­fan­gen in einem Land, das wie kein ande­res auf der Welt von Ein­kom­mens- und Ver­mö­gens­un­gleich­heit geprägt ist (Gini-Koef­fi­zi­ent von 0,63).
  • Eine drit­te Säu­le nach­fra­ge­sei­ti­ger Maß­nah­men lag im Bereich der Kom­mu­ni­ka­ti­on und Infor­ma­ti­on. Von drei Pha­sen wird hier berich­tet. Wäh­rend in der ers­ten Pha­se die Bür­ge­rin­nen und Bür­ger für ihr Was­ser­spar­ver­hal­ten gelobt und Was­ser­spar­tipps gege­ben wur­den, wir­ken ins­be­son­de­re die zwei­te und drit­te Pha­se auf uns befremd­lich. Viel­ver­brau­cher erhiel­ten Brie­fe, sie hät­ten ihre Nach­fra­ge ein­zu­schrän­ken, andern­falls wer­de ihnen eine Dros­sel ein­ge­baut. Die 100 größ­ten Ver­brau­cher in der Grup­pe der Haus­halts­kun­den wur­den im Febru­ar 2017 in der Tages­zei­tung unter Anga­be des Stra­ßen­na­mens ver­öf­fent­licht. Eine City Water Map mach­te für jeden abruf­bar, ob der Nach­bar zu viel Was­ser für sich bean­spruch­te. Die letz­te Pha­se wur­de dann durch die „Day-Zero“-Kampagne ein­ge­läu­tet. Mit­te Janu­ar 2018 ver­kün­de­te die dama­li­ge Bür­ger­meis­te­rin von Kap­stadt, Patri­cia de Lil­le, zum 21.4.2018 wür­de die Ver­sor­gung in den Häu­sern ein­ge­stellt und fort­an müs­se sich jede und jeder für Was­ser an einer der 200 öffent­li­chen Zapf­säu­len anstel­len. Im Vor­feld wur­den ein­zel­ne sol­cher Aus­ga­be­stel­len bereits auf­ge­baut, was einen plas­ti­schen Ein­druck zur bevor­ste­hen­den Kata­stro­phe ver­mit­tel­te.
  • Eine nicht unwich­ti­ge Maß­nah­me war abschlie­ßend die Druck­re­du­zie­rung. Auf die­se Wei­se lie­ßen sich Was­ser­ver­lus­te rela­tiv ver­min­dern.

Nachfrageseitige Maßnahmen in Kapstadt „Nach­fra­ge­sei­ti­ge Maß­nah­men Kap­stadt“
Quel­le: Eige­ne Dar­stel­lung in Anleh­nung an Brühl/Visser (2021) u. Vil­liers (2017)

Maßnahmen waren letztendlich erfolgreich

Und wie ging die Geschich­te aus? Im Ergeb­nis hät­ten die Tal­sper­ren noch bis auf einen Füll­stand von mini­mal 13 % sin­ken kön­nen. Bei 18 % Füll­stand wur­de die Kehrt­wen­de erreicht. Dank ein­set­zen­der Win­ter­nie­der­schlä­ge konn­te der „Day Zero“ zunächst abge­sagt wer­den.

Was bleibt? Sicher­lich wird man erst dann zu ähn­lich weit­rei­chen­den Maß­nah­men grei­fen, wenn die Umstän­de dies unab­än­der­lich erfor­dern. Dies ist für Deutsch­land nicht zu erken­nen. Gleich­zei­tig zeigt Kap­stadt, dass sich die Nach­fra­ge sub­stan­ti­ell beein­flus­sen lässt. Die Kom­bi­na­ti­on aus Infor­ma­ti­on, posi­ti­ver Moti­va­ti­on, inno­va­ti­ven Preis­mo­del­len und Moni­to­ring scheint gleich­wohl ziel­füh­rend. Ins­be­son­de­re mehr smar­te Zäh­ler sowie Pro­gno­sen zu Ange­bot und Nach­fra­ge mit­tels KI hel­fen, Kun­din­nen und Kun­den „mit­zu­neh­men“. Tat­säch­lich mei­ne ich, dass wir als Was­ser­ver­sor­gung für die Bür­ge­rin­nen und Bür­ger in Zei­ten zuneh­men­der Klim­wan­del­her­aus­for­de­run­gen nicht die „Rund­um-Sorg­los-Ver­si­che­rung“ sein müs­sen. In wirk­li­chen Aus­nah­me­fäl­len zeigt Kap­stadt, dass wir auf die Bür­ge­rin­nen und Bür­ger zäh­len kön­nen. Wenn wir auch im Sin­ne der Nach­hal­tig­keit mit Augen­maß inves­tie­ren, wird eine mar­gi­na­le Qua­li­täts­ein­bu­ße gut ver­mit­tel­bar sein. Ein sol­cher sich dann ein­stel­len­der Dia­log mit unse­rer Kund­schaft mag gar Chan­cen beinhal­ten.“

Quellen:

Bei­trags­fo­to: Thee­wa­ter­s­kloof-Damm März 2024 (Oel­mann)

Wasserpreise im größeren Zusammenhang sehen

Wasserpreise = Tarifkundenpreise?

Wenn wir an Was­ser­prei­se den­ken, kom­men uns zuvor­derst Prei­se für End­kun­den in den Sinn. Die­se ste­hen im beson­de­ren Fokus und immer mehr Akteu­re machen sich Gedan­ken über die Zie­le, die mit der Aus­ge­stal­tung von Preis­mo­del­len ver­bun­den sind und wie sich die­se errei­chen las­sen. Die­ser Blick aber auf Model­le ledig­lich für Tarif­kun­den ist ver­kürzt. Hier­mit bleibt ein Was­ser­ver­sor­ger unter sei­nen Mög­lich­kei­ten – erst recht dann, wenn preis­li­che Fest­le­gun­gen mit Kun­den und/oder Lie­fe­ran­ten zwi­schen „Tür und Angel“ ohne stra­te­gi­sche Weit­sicht getrof­fen wer­den. Sol­che Preis­mo­dell­kon­zep­te gera­de mit Nicht-Tarif­kun­den sind eine Chan­ce für den Was­ser­ver­sor­ger, an sei­ner ganz­heit­li­chen „Preis-Geschich­te“ wei­ter­zu­schrei­ben.

Das Ökosystem eines Wasserversorgers

Der Was­ser­ver­sor­ger steht in einer viel­fäl­ti­gen Bezie­hung zu ande­ren. Bei­spiel­haft wird dies anhand der fol­gen­den Abbil­dung beschrie­ben.

„Das Öko­sys­tem eines Was­ser­ver­sor­gers“
Quel­le: Czichy/Gendries/Oelmann (2023)

Wasserdargebot, Systemkapazitäten und Kunden

Ein Was­ser­ver­sor­ger ver­fügt über unter­schied­li­che Bezugs­quel­len, aus denen er ver­schie­de­ne Kun­den­grup­pen ver­sorgt. Als Bin­de­glied bei der Belie­fe­rung die­nen ihm sei­ne Sys­tem­ka­pa­zi­tä­ten, die vor allem Gewin­nungs­an­la­gen, Was­ser­wer­ke, Trans­port- und Ver­sor­gungs­lei­tun­gen sowie Spei­cher­be­häl­ter umfas­sen. Zu sei­nen Bezugs­quel­len kön­nen sowohl eige­ne Was­ser­res­sour­cen als auch der exter­ne Was­ser­be­zug von Vor­lie­fe­ran­ten zäh­len. Sei­ne Kun­den­grup­pen las­sen sich unter­schei­den in klas­si­sche Haus­halts­kun­den (HHK), klei­ne und mitt­le­re Nicht-Haus­halts­kun­den (NHHK; z. B. Ärz­te, Behör­den, Schu­len, Sport­ver­ei­ne etc.), gro­ße NHHK bzw. Son­der­kun­den (z. B. Landwirtschafts‑, Gewer­be- oder Indus­trie­be­trie­be) sowie Wei­ter­ver­tei­ler­kun­den (ande­re Was­ser­ver­sor­ger mit End­kun­den­kon­takt, d. h. der betrach­te­te Was­ser­ver­sor­ger tritt sei­ner­seits als Vor­lie­fe­rant auf).

Veränderungen zwingen zum Handeln

Dabei ist die­ses Bild des Öko­sys­tems nicht sta­tisch. Das bis­her genutz­te Dar­ge­bot kann aus quan­ti­ta­ti­ven oder qua­li­ta­ti­ven Grün­den unter Druck gera­ten. Nach­fra­ge­ver­än­de­run­gen der Bestands­kun­den – ob abso­lu­te Men­gen­ver­än­de­run­gen oder eine Anpas­sung des (sai­so­na­len) Abnah­me­ver­hal­tens – füh­ren mit­un­ter zu gro­ßen Aus­wir­kun­gen, die den Was­ser­ver­sor­ger res­sour­cen- oder auch kapa­zi­täts­sei­tig vor Her­aus­for­de­run­gen stel­len kön­nen. Gleich­zei­tig könn­te sich der Ver­sor­ger dazu ent­schlie­ßen, sei­ne Res­sour­cen­ver­füg­bar­keit durch den Zugriff auf wei­te­re Vor­lie­fe­ran­ten abzu­si­chern oder gar Brauch­was­ser­quel­len zu erschlie­ßen. Eben­so kann er mit Belie­fe­rungs­an­fra­gen neu­er Groß­kun­den oder Wei­ter­ver­tei­ler­kun­den kon­fron­tiert sein. Die Aus­wir­kun­gen des Kli­ma­wan­dels beein­flus­sen die­se Dyna­mik prin­zi­pi­ell nach­hal­tig – wir alle aber wis­sen: Die Bedin­gun­gen und Her­aus­for­de­run­gen für Was­ser­ver­sor­ger unter­schei­den sich stark, wes­we­gen auch die preis­po­li­ti­schen Emp­feh­lun­gen dif­fe­rie­ren.

Eine ers­te Grup­pe von Was­ser­ver­sor­gern mag res­sour­cen­sei­ti­ge Pro­ble­me haben. Sind die­se fun­da­men­ta­le­rer Natur, mag eine ange­bots­sei­ti­ge Aus­wei­tung durch Erschlie­ßen neu­er Quel­le oder den Anschluss an einen Fern­was­ser­ver­sor­ger unaus­weich­lich sein. Nicht sel­ten aber sind die Pro­ble­me „haus­ge­macht“. Über­steigt die Nach­fra­ge bei einem Was­ser­nach­fra­ger in einer Zeit­span­ne die erlaub­te Was­ser­ent­nah­me, so lie­ße sich durch preis­po­li­ti­sche Maß­nah­men Nach­fra­ge im Zeit­ver­lauf ver­schie­ben. Demand-Side-Manage­ment ist hier die Ant­wort und den meis­ten grö­ße­ren Kun­den aus dem Ener­gie­be­reich längst ein Begriff. Eher üblich im was­ser­wirt­schaft­li­chen Bereich aber ist, dass der Was­ser­ver­sor­ger sein Pro­blem „expor­tiert“. Er fragt bei sei­nem benach­bar­ten Was­ser­ver­sor­ger an, ob er ihn im Not­fall mit Was­ser belie­fern kön­ne. Er ist gar bereit, einen höhe­ren varia­blen Preis zu bezah­len als der­je­ni­ge, der gemein­hin gel­ten wür­de.

Vorsicht bei der Preisgestaltung

Ein sol­cher Ver­trag schreibt zum einen nicht die ein­gangs benann­te „Preis-Geschich­te“ fort, zum zwei­ten mag sich ein sol­cher Ver­trag für den im Not­fall Belie­fern­den als gefähr­lich her­aus­stel­len. Stra­te­gisch soll­te der im Not­fall zu belie­fern­de Was­ser­ver­sor­ger sich eben­so an der Leis­tungs­vor­hal­tung des Lie­fe­ran­ten betei­li­gen wie das im Fal­le des Sys­tem­preis­mo­dells für Tarif­kun­den auch der „nor­ma­le“ Kun­de tut. Dies wäre hin­sicht­lich der preis­po­li­ti­schen Argu­men­ta­ti­on kon­sis­tent. Wenn 80 % der Gesamt­kos­ten fixer Natur sind, so mag auch die fixe ent­gelt­li­che Belas­tung des zu belie­fern­den Kun­den in einer sol­chen Höhe lie­gen. Gege­be­nen­falls sogar nicht nur das: Die kon­kre­te Nach­fra­ge des um Not­ver­sor­gung ersu­chen­den Stadt­werks wird ins­be­son­de­re dann auf­tre­ten, wenn auch die Kun­den des Lie­fe­ran­ten ver­stärkt nach­fra­gen. Wenn in Fol­ge des­sen die was­ser­wirt­schaft­li­chen Anla­gen an kapa­zi­ta­ti­ve Gren­zen kom­men, ist das Pro­blem per­fekt. Ein sol­ches beschrie­be­nes Ver­hal­ten wäre blau­äu­gig, durch ange­pass­te preis­po­li­ti­sche Ver­ein­ba­run­gen aber zu umge­hen.

Im Sin­ne der Bezie­hun­gen des Was­ser­ver­sor­gers zu sei­nem Umfeld beob­ach­ten wir aber eben­falls Reak­tio­nen, die mög­li­cher­wei­se bei einer ande­ren Grup­pen von Stadt­wer­ken zu vor­sich­tig gewählt wären. Stel­len wir uns einen gro­ßen Nach­fra­ger vor, der sei­nen Was­ser­be­zug erhö­hen möch­te, einen Land­wir­ten, der kein Was­ser­recht bekommt und des­halb eine Anfra­ge an den Was­ser­ver­sor­ger stellt oder einen gänz­lich neu­en Nach­fra­ger, der bei­spiels­wei­se Was­ser für eine Was­ser­stoff­pro­duk­ti­on benö­tigt. Eine über den Som­mer unter­stell­te kon­stan­te Last einer sol­chen zusätz­li­chen Nach­fra­ge mag an bestimm­ten Tagen oder gar nur Stun­den Kapa­zi­täts- oder Ent­nah­me­gren­zen zu spren­gen dro­hen. Die Reak­ti­on des Was­ser­ver­sor­gers: Funk­tio­niert nicht. Der Bür­ger­meis­ter inter­ve­niert, im Zwei­fel wird dann ein Ver­trag mit undurch­dach­ten Preis­mo­del­len abge­schlos­sen und die gese­he­ne Gefahr tritt ein. Auch hier lie­ßen sich im Vor­hin­ein intel­li­gen­te­re Lösun­gen gestal­ten. Muss die neu ent­fal­te­te Nach­fra­ge wirk­lich zu jeder Zeit bedient wer­den oder aber haben (grö­ße­re) Bestands­kun­den Fle­xi­bi­li­tä­ten zur Nach­fra­ge­ver­schie­bung, die sie gegen Bezah­lung oder gerin­ge­re sons­ti­ge Ver­sor­gungs­kos­ten zie­hen könn­ten? Hier ist die Aus­gangs­si­tua­ti­on im Detail zu betrach­ten.  Funk­ti­ons­fä­hi­ge Lösun­gen las­sen sich unse­rer Erfah­rung nach immer gestal­ten. In der Kom­mu­ni­ka­ti­on wird die nicht sel­ten mit dem Umstieg auf ein Sys­tem­preis­mo­dell bei Tarif­kun­den begon­ne­ne Geschich­te sinn­haft und strin­gent fort­ge­schrie­ben.

 

Quellen:

Czichy, Chris­toph / Gen­d­ries, Sieg­fried und Mark Oel­mann (2023): „Zur Anpas­sung von Was­ser­preis­mo­del­len vor dem Hin­ter­grund aktu­el­ler Her­aus­for­de­run­gen – Teil 2: Preis­mo­dell­kom­po­nen­ten als Anreiz- und Steue­rungs­in­stru­men­te“, in: ener­gie | was­ser-pra­xis 09/2023, S. 34–42.

Bei­trags­fo­to (Puz­zle­tei­le) von Ale­xa auf Pix­a­bay