Höhere Preise und ein neues Preissystem. Bodensee-Wasserversorgung investiert in die Versorgungssicherheit.

Die Boden­see-Was­ser­ver­sor­gung (BWV) will die Trink­was­ser­ver­sor­gung von rund 4 Mio. Men­schen in Baden-Würt­tem­berg für die nächs­ten Jahr­zehn­te sichern. Damit wer­den höhe­re Prei­se und ein neu­es Was­ser­preis­sys­tem ver­bun­den sein. Mehr als die aktu­ell 183 Mit­glie­der der BWV wer­den aller­dings nicht davon pro­fi­tie­ren. Denn der wich­ti­ge Vor­lie­fe­rant und Fern­was­ser­ver­sor­ger hat Auf­nah­me­stopp. Die weit über zwan­zig Stadt- und Was­ser­wer­ke, die als Neu-Kun­den und ‑Mit­glie­der in den Genuss von Was­ser­lie­fe­run­gen kom­men woll­ten, haben eine Absa­ge erhal­ten. Sogar die zwan­zig eige­nen Bestands­mit­glie­der, die um eine Erhö­hung der Betei­li­gungs­quo­te und damit höhe­re Lie­fe­run­gen nach­ge­sucht haben, gehen leer aus. Der kauf­män­ni­sche Geschäfts­füh­rer Micha­el Stäb­ler erklärt mir, dass man es aus wirt­schaft­li­chen Grün­den schon wol­le, „aber hier zeigt die Tech­nik die Gren­zen auf“. Mehr Leis­tung las­sen die Wer­ke und Net­ze nicht zu.

Grundwasserstände hatten kaum Zeit sich zu regenerieren

„Trotz Regen im Win­ter­halb­jahr sind die Grund­was­ser­stän­de im Som­mer wie­der nied­rig“, berich­tet die Lan­des­an­stalt für Umwelt Baden-Würt­tem­berg (LUBW) am 20.7.2020 und weist dar­auf hin, dass dies bereits im drit­ten Jahr in Fol­ge der Fall sei. Zwar rela­ti­viert die Behör­de: „groß­räu­mi­ge Eng­päs­se in der Was­ser­ver­sor­gung sind auf­grund der aktu­el­len Beob­ach­tun­gen nicht abseh­bar“. Den­noch dro­hen bei anhal­ten­der kli­ma­ti­scher Ent­wick­lung im Süd­wes­ten Deutsch­lands zuneh­men­de Streß­si­tua­tio­nen bei den Trink­was­ser­ver­sor­gern. Denn es ist bereits das drit­te Jahr in Fol­ge, dass die Grund­was­ser­stän­de zu Som­mer­be­ginn auf einem deut­lich nied­ri­gen Niveau ver­har­ren.

Landesregierung fördert die Anpassung an den Klimawandel

Die Lan­des­re­gie­rung hat die Zei­chen der Zeit erkannt und setzt mas­siv auf den Aus­bau der Trink- und Abwas­ser­in­fra­struk­tur. Ähn­lich wie Bay­ern geht das Land in die akti­ve Inves­ti­ti­ons­för­de­rung für die Was­ser­wirt­schaft. So stellt das Baden-Würt­tem­berg den Städ­ten und Gemein­den in die­sem Jahr fast 40 Mil­lio­nen Euro für Inves­ti­tio­nen in die Moder­ni­sie­rung der Was­ser­ver­sor­gung zur Ver­fü­gung. Das För­der­vo­lu­men wur­de gegen­über 2019 um 10 Mil­lio­nen Euro erhöht. Im Abwas­ser­be­reich sind die För­der­mit­tel mit 88 Mil­lio­nen Euro in die­sem Jahr mehr dop­pelt so hoch als bei Trink­was­ser. Ein Groß­teil geht in die Klär­an­la­gen mit dem Ziel des Grund­was­ser­schut­zes.

Bodensee-Wasserversorgung investiert in die „Zukunftsquelle“

„Hit­ze und Tro­cken­heit haben im ver­gan­ge­nen Jahr sehr deut­lich vor Augen geführt, dass der Kli­ma­wan­del auch unse­re Was­ser­ver­sor­gung beein­träch­ti­gen kann“, erklär­ten die baden-würt­tem­ber­gi­schen Minis­ter für Umwelt, Franz Unter­stel­ler, und für Ver­brau­cher­schutz, Peter Hauk vor zwei Jah­ren beim Start des „Mas­ter­plan Was­ser­ver­sor­gung“. In fünf Jah­ren sol­len die Ergeb­nis­se vor­lie­gen. „Die Kom­mu­nen sind auf­ge­ru­fen, sich früh­zei­tig mit mög­li­chen Kli­ma­aus­wir­kun­gen zu befas­sen und sich vor­zu­be­rei­ten.“ Die Boden­see-Was­ser­ver­sor­gung wird solan­ge nicht war­ten. Der Druck aus der Poli­tik wird stei­gen. Um die stei­gen­den Anfor­de­run­gen im bestehen­den Ver­sor­gungs­ge­biet zu bewäl­ti­gen, wird BWV in den nächs­ten Jah­ren im Rah­men des Pro­jekts „Zukunfts­quel­le“ nach den der­zei­ti­gen Pla­nun­gen etwa 360 Mio. Euro inves­tie­ren.

  • Die Quag­ga-Muschel, sicher nur Natur­freun­den oder Was­ser­ver­sor­gern ein Begriff, brei­tet sich im Boden­see mas­siv aus und setzt sich in den Lei­tun­gen und Fil­ter­an­la­gen fest. Eine neue Ultra­fil­tra­ti­ons­an­la­ge soll die Lar­ven zurück­hal­ten und so ihre Aus­brei­tung ver­hin­dern.
  • Eini­ge Anla­gen sind schon 60 Jah­re im Betrieb. Abwar­ten bis zum Still­stand? Bei der Trink­was­ser­ver­sor­gung ver­bie­tet sich dies als Opti­on, daher muss lau­fend inves­tiert wer­den.
  • Eine wich­ti­ge Maß­nah­me im Rah­men des Pro­jekts ist der Bau neu­er Ent­nah­me- und Auf­be­rei­tungs­an­la­gen am Boden­see. Hier soll das Was­ser künf­tig in drei See-Was­ser­wer­ken mit von­ein­an­der unab­hän­gi­gen Ent­nah­me­lei­tun­gen gewon­nen wer­den.

„Die­se Inves­ti­ti­on ist unab­ding­bar, um den Her­aus­for­de­run­gen des Kli­ma­wan­dels zu begeg­nen, die sich durch Ver­än­de­run­gen in der Was­ser­qua­li­tät, der ver­füg­ba­ren Men­ge und der stei­gen­den Nach­fra­ge äußern“, sagt Micha­el Stäb­ler, kauf­män­ni­scher Geschäfts­füh­rer der BWV. „Auch bei Stö­run­gen oder Aus­fäl­len müs­sen wir die Trink­was­ser­ver­sor­gung für vier Mil­lio­nen Bür­ger in Baden-Würt­tem­berg gewähr­leis­ten.“ Chris­toph Jero­min, tech­ni­scher Geschäfts­füh­rer der Boden­see-Was­ser­ver­sor­gung, ergänzt, „ein Pro­jekt die­ser Grö­ßen­ord­nung ist alles ande­re als all­täg­lich. Dar­um wer­den wir uns die nächs­ten Jah­re mit der wei­te­ren Pla­nung und Geneh­mi­gung inten­siv befas­sen, um das Pro­jekt vor­an­zu­trei­ben.“

Steigende Wasserpreise und ein neues Preissystem

Die Inves­ti­tio­nen wer­den dazu füh­ren, dass der Trink­was­ser­preis für die Kun­den der Boden­see-Was­ser­ver­sor­gung anstei­gen wird. Heu­te berech­net die BWV ihren Mit­glie­dern etwa 2,20 Euro pro Kubik­me­ter. In Zukunft könn­te die Umla­ge auf Basis der bis­he­ri­gen Kal­ku­la­tio­nen um 25 bis 30 Cent je Kubik­me­ter stei­gen. Aller­dings wird der vol­le Anstieg erst schritt­wei­se bis Mit­te des kom­men­den Jahr­zehnts erreicht, heißt es aus der Unter­neh­mens­zen­tra­le. Auch das Preis­mo­dell soll geän­dert wer­den. „Wir arbei­ten gera­de an einem neu­en Preis­mo­dell auf Basis der aus­ge­le­se­nen Stun­den­wer­te, um gleich­ge­rich­te­te Inter­es­sen bei den Spit­zen­wer­ten zu erhal­ten“, erklärt mir Micha­el Stäb­ler. Damit reagiert die Boden­see-Was­ser­ver­sor­gung auf Ent­wick­lun­gen, die auch schon ande­re Fern­was­ser­ver­sor­ger und regio­na­le Vor­lie­fe­ran­ten zu Was­ser­preis­um­stel­lun­gen bewo­gen haben.

Wasserpreisumstellungen werden auch bei Fernwasserversorgern unvermeidbar sein

Aus mei­ner beruf­li­chen Pra­xis ken­ne ich meh­re­re Umstel­lungs­pro­jek­te bei Fern­was­ser- und regio­na­len Vor­ver­sor­gern. Die Beweg­grün­de sind bei fast allen Pro­jek­ten weit­ge­hend iden­tisch: kli­ma­be­ding­te Nach­fra­ge­zu­wäch­se und Ver­brauchs­spit­zen set­zen Res­sour­cen und tech­ni­sche Sys­te­me unter Streß. Die Ver­sor­ger müs­sen dar­auf­hin ver­stärkt inves­tie­ren. Der Auf­bau und die Fle­xi­bi­li­sie­rung der Vor­hal­te­leis­tung führt zu höhe­ren Kos­ten. Das führt zur Not­wen­dig­keit dyna­mi­scher Prei­se. Die Vor­lie­fe­ran­ten müs­sen öko­no­mi­sche Anrei­ze set­zen, um die Spit­zen abzu­mil­dern. Wer mehr Leis­tung for­dert, zahlt min­des­tens einen ande­ren, zumeist auch einen höhe­ren Preis. Wer nach Pra­xis­bei­spie­len sucht, wird schon in Kür­ze fün­dig wer­den.

Dabei ist es nach mei­nen Erfah­run­gen nicht so, dass die Stadt­wer­ke kein Ver­ständ­nis für die Umstel­lung auf­bräch­ten, schließ­lich sind vie­le von ihnen einem ähn­li­chen kapa­zi­ta­ti­ven Stress aus­ge­setzt. Im Gegen­teil, bei einem Pro­jekt waren die Stadt­wer­ke erfreut, lie­fer­te ihnen doch der Vor­lie­fe­rant eine Begrün­dung, das eige­ne Was­ser­preis­sys­tem end­lich umzu­stel­len. Es dürf­te daher nicht schwer sein, den Fern­was­ser-Kun­den die Vor­teil­haf­tig­keit des neu­en Preis­sys­tems zu ver­mit­teln. Das zeig­te sich auch in vor­aus­ge­gan­ge­nen Befra­gun­gen der Fern­was­ser-Kun­den. Vie­le sahen auf eige­ner Sei­te preis­po­li­ti­schen Hand­lungs­be­darf und such­ten einen enge­ren Schul­ter­schluss mit dem Vor­lie­fe­ran­ten. Spä­tes­tens die Ver­hand­lun­gen über die neu­en Prei­se wer­den die Ver­trags­part­ner an einen Tisch brin­gen. Inso­weit wird es nicht lan­ge dau­ern, bis sich ange­sichts der Umstel­lung auf Sei­ten der Boden­see-Was­ser­ver­sor­gung deren Stadt- und Was­ser­wer­ke-Kun­den sich um neue Was­ser­preis­sys­te­me küm­mern wer­den.

Die Kom­ple­xi­tät und Unwäg­bar­keit der viel­fäl­ti­gen Ein­fluss­grö­ßen wird einen enge­ren Schul­ter­schluss zwi­schen dem Vor­lie­fe­ran­ten und den Stadt- und Was­ser­wer­ken als des­sen Kun­den unab­ding­bar machen. Für vie­le dürf­te es zu spät sein, wenn sie fest­stel­len, dass ihre Behäl­ter nicht aus­rei­chen, um die Spit­zen zu puf­fern, die Was­ser­werks­ka­pa­zi­tä­ten zu gering sind, um den stei­gen­den Bedarf zu befrie­di­gen und dem Kli­ma­wan­del zu begeg­nen. Die Prot­ago­nis­ten müs­sen früh­zei­tig auf­ein­an­der zuge­hen und gemein­sam Lösun­gen ent­wi­ckeln. Wer jetzt zu lan­ge war­tet, steht hin­ten in der Schlan­ge und geht am Ende leer aus.

Quellen/Weiterführendes

  • Was­ser­res­sour­cen erhal­ten, schüt­zen und nach­hal­tig nut­zen!
    Antrag der Grü­nen LT-Drs 18/9958
  • Ein­füh­rung eines Baye­ri­schen Was­ser­ent­nah­me­ent­gelt­ge­set­zes, Ände­rungs­an­trag zum Haus­halts­ge­setz 2019/2020, Druck­sa­che 18/6678

Erst­mals ver­öf­fent­licht am 27.07.2020 auf lebensraumwasser.com