Warum nicht nur die englischen Wasser- und Abwasserentgelte steigen werden…
Im letzten Blog-Beitrag wurde beschrieben, dass die englischen Wasser- und Abwasserentgelte in naher Zukunft signifikant steigen werden. Der natürliche Reflex in Deutschland setzt ein: „Hier bei uns kann dies nicht passieren. Wir wirtschaften nachhaltig – ökologisch und ökonomisch!“
Doch ist dies wirklich so? Wie immer wird man nicht sämtliche deutschen Wasserver- und Abwasserentsorger „über einen Kamm“ scheren können. Folgende Tendenzen aber sind auszumachen, die sich bei den Unternehmen unterschiedlich kumulieren und damit einen unterschiedlich starken Druck auf Wasser- und Abwasserentgelte ausüben.
Gemeinhin wird zunächst mit den Finanzierungsnotwendigkeiten argumentiert. Die Ersatzinvestitionsquoten seien so niedrig, dass das „böse Erwachen“ zwangsläufig folge. Auch erfordern politische Vorgaben seitens der EU oder auch der Bundesrepublik zunehmende Neuinvestitionen. Zu denken ist hier etwa an den notwendigen Zubau einer vierten Reinigungsstufe in vielen Kläranlagen zur Elimination von Spurenstoffen. Sollte dieser Zubau über die Gebühren und nicht etwa über die Mitbeteiligung der Industrie an den Ausbaukosten – siehe hierzu etwa den Vorschlag zur Einführung eines sog. Fondsmodells [1] – finanziert werden, sind dies selbstredend wichtige Treiber für steigende Abwasserentgelte.
Im nächsten Schritt wird – ebenso richtig – auf sich erhöhende Inputkosten verwiesen, die dann über steigende Entgelte weitergegeben werden müssen. Steigende Kosten resultieren aus Lieferkettenproblematiken, Fachkräftemangel, steigenden Energiekosten ohne Abfederung durch Strompreisbremse etc. [2].
Damit ist die Geschichte aber noch nicht zu Ende. Es gibt weitere Gründe, die wie tickende Zeitbomben scheinbar nur darauf warten, zu explodieren.
Nicht selten wird die Wasserversorgung von einem Stadtwerk angeboten, das ebenfalls andere Sparten in seinem Angebotsportfolio hat. Sehr auskömmliche Gewinne im Gasvertrieb sowie im Fernwärmesegment ermöglichten es in der Vergangenheit der Stadtwerke-Geschäftsführung, dem Wunsch nachzukommen (der nicht selten von der kommunalen Politik geäußert wird), Wasserpreise nicht zu stark steigen zu lassen oder sie gar über einen langen Zeitraum konstant zu halten. Die Bedeutung von Gas für den Wärmemarkt wird zurückgehen und der Fernwärmemarkt gelangt zunehmend in den Blick einer kartellrechtlichen Überprüfung. Beides führt dazu, dass sich die Wassersparte zukünftig wird selbst tragen müssen, was auch Geschäftsführer in Querverbundunternehmen mantraartig ihren Eigentümern darlegen werden.
Hier gelangt dann mitunter ins Blickfeld, dass Wasserver- und Abwasserentsorger oft keine kostendeckenden Preise/Gebühren erheben. Der Umstieg von aufwands- hin zu kostenbezogener Kalkulation führt für sich genommen schon einmal zu einer Entgeltsteigerung, die durchaus im Bereich von 20 % liegt.
Wohl denen, die bereits kostendeckende Preise/Gebühren vereinnahmen, mag man folgern. Oft wird dem zuzustimmen sein. In vielen Fällen aber auch nicht, denn während die kalkulatorische Eigenkapitalverzinsung mit gutem Grund an die Eigenkapitalgeber ausgeschüttet wird – der Eigentümer könnte sein Geld ja auch anders anlegen – gilt dies für die Differenz aus kalkulatorischen und bilanziellen Abschreibungen nicht!
Was passiert hier? Handelsrechtlich sind im Jahresabschluss die Abschreibungen bilanziell, das heißt auf Basis der Anschaffungs- und Herstellungskosten, vorzunehmen. Damit Wasser- und Abwasserunternehmen gleichwohl Mittel zur Innenfinanzierung auch für die zukünftigen (Re-) Investitionen aufbauen können, ist es ökonomisch stichhaltig, auf Basis der sog. Wiederbeschaffungszeitwerte abzuschreiben. Diese sind in der Regel erheblich höher – schlicht deshalb, weil das Verlegen eines Meters Kanal heute teurer ist als vor 80 Jahren. Dadurch, dass diese kalkulatorischen Kosten Eingang in die Preisermittlung nehmen, damit der Umsatz gegenüber dem abzuziehenden Aufwand größer wird, entsteht ein Gewinn, der Begehrlichkeiten schafft. Der Anteilseigner, dem in der Aufsichtsratssitzung ein vermeintlicher Gewinn präsentiert wird, drängt auf dessen Ausschüttung. Oft vermag es der Geschäftsführer nicht, sich diesem Wunsch ausreichend entgegenzustellen.
Während für die ersten vier genannten Gründe für Entgeltsteigerungen der Wasserver- oder Abwasserentsorger nur sehr bedingt etwas kann, sieht es hier bei diesem fünften Grund anders aus. Die Differenz aus kalkulatorischen und bilanziellen Abschreibungen muss zwingend in Form einer Rücklage im Unternehmen verbleiben. Zum einen, weil der Substanzerhalt der ureigene Zweck dieser zentralen kalkulatorischen Kostenposition ist. Zum anderen verringert sich aber durch deren Ausschüttung die Innenfinanzierungskraft des Unternehmens. Fremdkapitalzinsen müssen folglich gezahlt werden, die ansonsten nicht anfielen.
Zusammenfassend lässt sich daher festhalten, dass auch in Deutschland die Wasser- und Abwasserentgelte werden steigen müssen. Unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten und im Hinblick auf die Generationengerechtigkeit ist dies auch nicht negativ. Sehr ärgerlich ist es allerdings, wenn Gelder aus dem Unternehmen gezogen wurden, obwohl sie genau zur Dämpfung zukünftiger Entgeltanstiege gedacht waren. Dieser Treiber ist dann mehr als hausgemacht!
Und was bedeutet dies für die anderen Themenfelder, mit denen wir uns auf dem Wasserpreisportal beschäftigen? Nun: Steigende Kosten sind das Eine. Wie sich diese vor dem Hintergrund von zum Teil in Konflikt miteinander stehenden Zielen wie z. B. Entgeltstabilität, ökologischer Nachhaltigkeit oder Verursachungs- und Verteilungsgerechtigkeit über intelligente Entgeltmodelle vereinnahmen lassen, ist das Andere. Hier beginnt unser Terrain! Kontaktieren Sie uns!
Quellen
[1] Oelmann, Mark und Christoph Czichy (2019): „Gutachten für den BDEW – Möglichkeiten einer verursachergerechten Finanzierung von Maßnahmen zur Reduktion von Spurenstoffen“ (https://www.bdew.de/service/publikationen/moeglichkeiten-einer-verursachergerechten-finanzierung-von-ma%C3%9Fnahmen-zur-reduktion-von-spurenstoffen/)
[2] VKU e. V. (2023): „Unser Wasser – Fragen und Antworten zur Preisentwicklung“ (https://www.vku.de/unser-wasser-fragen-und-antworten-zur-preisentwicklung/)
Beitragsfoto: Privates Foto von Siegfried Gendries